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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition)
Autoren: Bernhard Jaumann
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Hitze, dachte er, einzig und allein an der Hitze. Außer dem bisschen Husten war gar nichts. Er fühlte sich stark. Er hatte genug Zeit, um Geduld haben zu können.
    Als die Sonne hinter dem Kalahari Sands Hotel verschwunden war, fuhr der Bus in den Parkplatz ein. Es war ein Doppeldecker mit einem Anhänger für das Reisegepäck. Er sah zu, wie die Angestellten den Berg an Koffern und Taschen, den sie zuvor auf dem Asphalt angehäuft hatten, wieder abtrugen. Die meisten Passagiere drängten sich schon am Busbegleiter vorbei nach oben, wo anscheinend die begehrteren Plätze lagen. Unten im Bus war noch viel Platz. Er stopfte seine Tasche unter einen Sitz nahe der Tür und setzte sich ans Fenster. Jenseits des Mittelgangs richtete sich eine junge Frau mit einem kleinen Mädchen ein. Als sie zu ihm herübersah, wandte er den Blick ab. Er konzentrierte sich auf die Autos, die auf der Independence Avenue vorbeifuhren. Ungefähr zwei Drittel hatten die Scheinwerfer bereits eingeschaltet.
    Das Tageslicht brach schnell. Es verdampfte zwischen den Häusern, verlor sich in der Luft, schwand. Ihm wurde plötzlich klar, dass die Nacht der ursprüngliche Zustand war, denn nichts war nötig, um ihn herzustellen. Der Tag brauchte die Sonne, doch sobald sie sich nicht mehr einmischte, kam zum Vorschein, was eigentlich herrschte. Das Dunkel.
    Der Bus fuhr ab, glitt langsam durch die kaum belebten Straßen von Windhoek. Als sie den Polizeiposten auf der Höhe des Heldenackers passiert hatten und der Bus sich die Steigung in die Auas-Berge hinaufquälte, blieb der Lichtschein über der Stadt hinter ihnen zurück. Nach vorn war ein Stück Straße im Scheinwerferkegel zu erkennen, zur Seite hin wurde das Licht nach wenigen Metern von undurchdringlichem Schwarz verschluckt.
    «Ich fahre nach Keetmannshoop, Verwandte besuchen», sagte die Nama-Frau nebenan. Das kleine Mädchen hatte den Kopf auf ihrem Schoß liegen und blickte mit großen Augen zu ihm herüber.
    «Hmm», sagte er.
    «Und Sie?», fragte die Frau.
    «Südafrika», sagte er.
    «Wegen Arbeit?»
    «Hmm», sagte er. Es gab keinen Grund, nicht mit ihr zu reden, sie hatte ihm schließlich nichts getan. Und ihre Tochter schon gar nicht. Er hätte zum Beispiel fragen können, ob sie zum Vater der Kleinen fuhren oder ob es überhaupt einen Vater gab und nicht nur einen, der eine junge Frau geschwängert hatte. Doch er schloss die Augen und lehnte den Kopf an die Scheibe. Sie vibrierte leicht. Die Frau sagte nichts mehr.
    Irgendwann döste er ein. Als er wieder aufwachte, fror es ihn in der kalten Zugluft der Klimaanlage. Er hustete. Die Decke aus seiner Tasche hätte er jetzt gut brauchen können. Die Frau und das kleine Mädchen nebenan waren fest eingemummt und schliefen. Die Fensterscheibe zitterte, und draußen herrschte die Nacht. Die Sterne waren weit weg. So weit, dass es fraglich war, ob sie überhaupt existierten.
     
    Der nächste Vormittag war ebenso heiß wie der zuvor. Die Sonne brannte auf Windhoek herab, als wolle sie jedes Leben auslöschen. Ein wenig frischen Wind gab es allenfalls in den Ermittlungen, die Clemencia und ihre Leute führten. Mit neunundneunzigprozentiger Sicherheit hieß der Tote, der im ausgebrannten Corolla aufgefunden worden war, Leon André Maree. Zwar war die Leiche so verkohlt, dass auch die engsten Verwandten ihn nicht mehr erkannt hätten, doch im Kofferraum des Wagens hatte ein Aluköfferchen den Flammen widerstanden. In ihm wurden unter anderem ein südafrikanischer Pass und ein Flugticket auf den Namen Maree gefunden.
    Clemencias Tante Selma hätte darauf verwiesen, dass der Mörder den Koffer bewusst zurückgelassen haben könnte, um die Ermittler in die Irre zu führen oder gar seinen eigenen Tod vorzutäuschen, doch so etwas gab es nur in den zerfledderten Agatha-Christie-Krimis, die sich Miki Selma aus der Stadtbücherei lieh. Um jeden Zweifel auszuschließen, hatte Clemencia eine Gewebeprobe nach Südafrika schicken lassen und die Kollegen in Bloemfontein gebeten, bei der im Pass angegebenen Adresse Vergleichsspuren sicherzustellen. Es würde allerdings mindestens zehn Tage dauern, bis die Ergebnisse des DNA-Abgleichs einträfen.
    Clemencia war sich sicher, dass die Identität des Toten bestätigt würde, denn es gab ein weiteres Indiz, das für sie mehr wog als ein Alukoffer. Jetzt, da man einen Anhaltspunkt hatte, wonach man suchen sollte, war schnell herausgefunden, dass Leon André Maree ebenso wie Abraham van Zyl der CCB-Gruppe
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