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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition)
Autoren: Bernhard Jaumann
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geherrscht, erklärte sie Clemencia, als wäre diese in einem anderen Universum aufgewachsen, und dann fügte sie trotzig hinzu: «Dass wir diesen Krieg verloren haben, heißt noch lange nicht, dass wir im Unrecht waren.»
    «Dass ihr im Unrecht wart, habt ihr die Jahrzehnte zuvor schon zur Genüge bewiesen», konnte sich Clemencia nicht enthalten zu antworten. Unprofessionell, hätte Matti Jurmela, ihr finnischer Betreuer, kommentiert, aber in Finnland hatten sie auch nicht unter der Apartheid zu leiden gehabt. Frau van Zyl schwieg, und Clemencia starrte auf die Fotos an der Wand über dem Sofa. Abraham van Zyl breit grinsend in Uniform. Van Zyl mit geschultertem Gewehr über einem erlegten Gemsbock. Van Zyl im Kreis bierseliger Kameraden. Abraham van Zyl, Abraham van Zyl. Seine Frau war nirgends zu sehen. Nicht einmal ein Hochzeitsfoto hing da.
    Die Hochzeitsfotos ihrer Eltern waren die einzigen Bilder, auf denen Clemencias Mutter zu sehen war. Obwohl er es sich nicht leisten konnte, hatte ihr Vater damals einen Fotografen engagiert, der die Schwarz-Weiß-Aufnahmen vor der Kirche und unter den Jacarandabäumen des Tintenpalastgartens gemacht hatte. Bis heute fragte sich Clemencia, ob sie wirklich eine eigene Erinnerung an das Gesicht ihrer Mutter hatte oder nur diese Fotos in ihrem Kopf wiederbelebte. Clemencia war erst vier Jahre alt gewesen, als ihre Mutter getötet worden war. Durch einen Querschläger, für den niemand verantwortlich gemacht werden konnte. Es seien Warnschüsse gewesen. Die südafrikanische Einheit, die Katutura auf der Suche nach SWAPO-Terroristen durchkämmt hatte, habe unter erheblicher nervlicher Anspannung gestanden, war damals ihrer Tante erklärt worden. Clemencias Vater hatte es nicht geschafft, zur Polizei zu gehen. Tagelang hatte er mit versteinertem Gesicht auf der Bank vor dem Haus gesessen, stumm, regungslos. Im Grunde war er bis heute nicht darüber hinweggekommen.
    Clemencia überlegte kurz, ob sie Mevrou van Zyl das erzählen sollte. Dann sagte sie: «Was vorbei ist, ist vorbei. Wir wollen einen Doppelmörder finden.»
    «Wirklich?», fragte Mevrou van Zyl und lächelte ungläubig.
    «Ja», sagte Clemencia, doch als sie Stunden später sichtete, was das Internet an Informationen zum Civil Cooperation Bureau hergab, war sie sich nicht mehr so sicher. Das CCB war eine skrupellose Mörderbande gewesen, deren Hauptziel die Beseitigung von Anti-Apartheids-Aktivisten war. Daneben sollten ANC-Einrichtungen zerstört und das UN-Waffenembargo gegen Südafrika unterwandert werden. In den knapp fünf Jahren seiner Existenz hatte das Bureau geschätzte neunzig bis hundert kriminelle Operationen durchgeführt und noch mehr geplant, von Hinrichtungen auf offener Straße über Bombenattentate auf ANC-Kindergärten bis hin zu perversen Einschüchterungsversuchen wie gegen Erzbischof Desmond Tutu, dem 1989 ein Pavianfötus in den Garten seines Kapstädter Hauses gehängt wurde.
    Das CCB war 1986 vom damaligen Verteidigungsminister Magnus Malan ins Leben gerufen worden, hatte aber verdeckt und weitgehend unabhängig gearbeitet. Tarnfirmen waren aufgebaut worden, die Kommandos hatten in Zivilkleidung operiert, und anscheinend wussten einige der rekrutierten Mitglieder nicht einmal, dass sie für die südafrikanischen Special Forces tätig waren. Sie mordeten demzufolge entweder für Geld oder aus rassistischer Überzeugung, was die Sache keineswegs sympathischer machte. Und es ließ verständlicher erscheinen, dass sich jemand entschlossen hatte, als Rächer aufzutreten.
    Für Selbstjustiz hatte Clemencia nichts übrig, doch sicher war, dass es keine Unschuldigen traf. Der Killer räumte unter den Bösen auf. Und zwar nicht unter irgendwelchen Verbrechern. Die Kolonialtruppen oder die Nazis, Idi Amin oder Pol Pot mochten noch schlimmer gewesen sein, doch für Clemencia blieb das Apartheidsystem der Inbegriff der Menschenverachtung. Es war die Hölle, in die sie hineingeboren war, der ihre Familie ausgeliefert und nicht nur ihre Mutter zum Opfer gefallen war.
    Das Attentat auf Anton Lubowski wurde der CCB-Regionalgruppe 6, Südafrika, zugeschrieben. Dieser Gruppe gehörte neben Slang van Zyl, Chappies Maree und einigen anderen auch ein irischer Söldner namens Donald Acheson an, der die Tat ausgeführt haben sollte, wohl auch kurz danach festgenommen, aber offensichtlich wieder freigelassen worden war. Genaueres hoffte Clemencia durch die Polizei- und Gerichtsakten zu erfahren, doch was ihre Leute
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