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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition)
Autoren: Bernhard Jaumann
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und Dienstgrad der Tür» , sagte Lubowski.
    Der Aufseher sagte nichts, aber irgendwie gelang es Lubowski später doch, zwei der Prügler zu identifizieren und bei meinem Prozess vorladen zu lassen. Er setzte ihnen ziemlich zu und konnte nachweisen, dass ich gefoltert worden war. Das vorgefertigte Geständnis, das ich unterzeichnet hatte, war damit wertlos. Zusammen mit dem Alibi, das ich für die Zeit des Attentats hatte, reichte das. Sie mussten mich freisprechen.
    Von da an war ich mit Lubowski befreundet, obwohl mir seine Welt weiterhin fremd blieb. Die schicken Anzüge, die Seidenhemden, den blütenweißen Bademantel, in dem er oft noch herumlief, wenn ich morgens bei ihm klingelte. Lubowski war einer, dem der Pool in seinem Garten nicht genügte. Noch kurz vor seinem Tod, als wir alle – er eingeschlossen – zwanzig Stunden am Tag für die Partei arbeiteten, ließ er sich außerdem eine Sauna einrichten. Mit ihm bin ich zum ersten Mal in einem Mercedes gefahren, bei ihm habe ich zum ersten Mal Austern gegessen. Aus Lüderitzbucht, seiner Geburtsstadt. Das seien die besten, hat er gesagt. 1984 trat er dann offiziell in die SWAPO ein. Da er der erste Weiße war, der diesen Schritt tat, war das öffentliche Interesse enorm.
    Auch die Parteispitzen leckten sich die Finger. Als lebender Beweis dafür, dass man keine rassischen Partikularinteressen verfolgte, und als Brückenbauer zu liberalen weißen Gruppen war Lubowski unbezahlbar. Entsprechend weit oben stieg er in der Hierarchie ein, flog zur Exilführung in Luanda, war auf internationalen Kongressen und nach Sam Nujoma wahrscheinlich der SWAPO-Vertreter, der am meisten Interviews geben musste. In seinen Kreisen wurde Lubowski als Verräter beschimpft, privat geschnitten, beruflich boykottiert. Nach der dreißigsten anonymen Morddrohung habe er zu zählen aufgehört, sagte er mir ein paar Wochen vor seinem Tod.
    Jeder politische Mord ist verwerflich, doch was sie mit Anton Lubowski am 12. September 1989 gemacht haben, war noch dazu so sinnlos. Da war doch alles längst entschieden. Die Südafrikaner hatten die UN-Resolution 435 endlich akzeptiert, der Weg zur Unabhängigkeit Namibias war vorgezeichnet, der Zeitplan beschlossene Sache, die Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung standen kurz bevor. Glaubte irgendwer im Ernst, das Rad der Geschichte noch zurückdrehen zu können?
     
    Seine Tasche stand vor ihm. In ihr war die AK-47. Er hatte das Gewehr zerlegt, die Teile in Decken und schmutzige Kleidungsstücke gewickelt. Das Geld trug er am Körper. Siebzigtausend südafrikanische Rand. So viel Geld hatte er zuvor noch nie auf einem Haufen gesehen, geschweige denn besessen. Er fragte sich, wie viel Zukunft siebzigtausend Rand bedeuteten. Für einen gewöhnlichen Menschen wahrscheinlich ziemlich viel, aber er war kein gewöhnlicher Mensch mehr. Er war irgendetwas anderes.
    Er hockte auf dem OK-Parkplatz oberhalb der Independence Avenue in Windhoek, lehnte den Rücken gegen einen Landrover, der ihn vor der Sonne schützte, und wartete auf den Intercape Mainliner nach Upington/Südafrika. Der Bus sollte um 18 Uhr abfahren. Jetzt war es 18 Uhr 45, doch es machte ihm nichts aus zu warten. Auf ein, zwei Stunden kam es wirklich nicht an. Die Wahrheit, der Tod und er selbst hatten eins gemeinsam. Sie konnten Geduld haben, denn sie wussten, dass sie am Ende recht behielten.
    Das gegliederte Portal des Supreme Courts oberhalb des Parkplatzes schien in der Abendhitze zu glühen. Das Gebäude sah trotzdem wie ein Grabmal für einen Fürsten der Unterwelt aus. Feuer und Tod. Er nickte. Wahre Gerechtigkeit kannte keine Gnade. Der Himmel über dem Gerichtsgebäude war wolkenlos, von einem unbarmherzigen Blau. Vielleicht würde es regnen, wenn er zurückkehrte. In zwei, drei, vier Tagen.
    Eine Angestellte der Busgesellschaft näherte sich ihm mit einem Schreibblock in der Hand und sprach ihn an. Der Mainliner sei gleich da. Ob er nicht sein Gepäck einchecken wolle. Er schüttelte den Kopf. Die Tasche brauche er im Bus. Da sei nur eine Decke drin, ein wenig Wasser und seine Medikamente. Ob er denn krank sei, fragte die Frau.
    «Nur eine Erkältung», sagte er und hustete.
    «Es geht etwas um», sagte die Angestellte, «ein Virus.»
    «Wird schon werden», sagte er.
    «Oben im Norden ist die Cholera ausgebrochen», sagte die Frau.
    «Ich bin nur erkältet», sagte er. Er versuchte zu lächeln und merkte, wie ihm der Schweiß über die Stirn lief. Das liegt nur an der
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