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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition)
Autoren: Bernhard Jaumann
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dass ihre Ansprache harscher klang, als sie es meinte, und beeilte sich, zum aktuellen Mordfall zu kommen. Erst als sie daranging, die Aufgaben zu verteilen, meldete sich Angula, der älteste ihrer Leute, zu Wort.
    «Das Opfer ist nicht zufällig Abraham ‹Slang› van Zyl?»
    Slang, die Schlange?
    «Der war damals im Civil Cooperation Bureau des südafrikanischen Geheimdienstes tätig und soll bei der Ermordung von Anton Lubowski seine Finger im Spiel gehabt haben.»
    «Dann müssten wir doch eine Akte haben», sagte Clemencia.
    «Wir konnten ihn seinerzeit nicht einmal vernehmen. Er hatte sich rechtzeitig nach Südafrika abgesetzt.»
    Clemencia war zwölf Jahre alt gewesen, als Anton Lubowski erschossen worden war. Sie hatte die Hintergründe damals nicht mitbekommen, doch sie konnte sich gut an die Gedenkfeier erinnern. Ganz Katutura war auf den Beinen gewesen, der Kirchhof der Ephesians Lutheran Church hatte die Trauergäste nicht fassen können. Überall wehten SWAPO-Fahnen, und ein dumpfes Brodeln lag in der Luft, mehr Wut als Trauer. Auch Clemencia hielt ein Papierfähnchen in der linken Hand, sang die Afrikahymne «Nkosi Sikelel’i Africa» laut mit, reckte die rechte Faust nach oben, wie sie es bei den Erwachsenen sah, und hatte das Gefühl, dass jeden Moment etwas Großes, etwas Unerhörtes geschehen müsse. Der spätere Außenminister Theo-Ben Gurirab hielt die Trauerrede, und auch sonst war alles da, was in der Partei Rang und Namen hatte. Bis heute hatte Clemencia die Kinder des Ermordeten vor Augen, den Sohn im SWAPO-T-Shirt und vor allem das kleine Mädchen, das ein schönes Kleidchen mit roten, blauen und grünen Streifen trug, wie sie es auch gern besessen hätte.
    «Und wieso sollte van Zyl dann wieder nach Windhoek zurückgekommen sein?», fragte Robinson.
    Angula wischte sich den Schweiß von der Stirn und zuckte die Achseln. «Vielleicht wurde es ihm in Südafrika zu heiß, als 1994 Mandela und der ANC an die Macht kamen. Van Zyl hatte sicher auch dort jede Menge Dinger gedreht, die ihn Kopf und Kragen kosten konnten. Aus dem Lubowski-Fall war nach mehr als fünf Jahren die Luft längst raus.»
    «Und wir haben ihm eine Aufenthaltsgenehmigung gegeben?» Robinson schüttelte den Kopf, doch auch er musste wissen, dass bei der Immigration noch mehr danebenging als bei der Polizei.
    «Das Mordopfer stammte aus Südafrika, und seine Frau ist Namibierin.» Clemencia spürte, dass sie auf der richtigen Spur waren.
    «Wenn ich mich recht erinnere, wurde Lubowski mit einer AK-47 erschossen», sagte Angula.
    «Damals hatte praktisch jeder Zugang zu einer AK-47», sagte Robinson, «die SWAPO-Kämpfer, die Koevoet-Leute und alle, die irgendjemanden auf einer der beiden Seiten kannten.»
    «Aber heute nicht», sagte Angula, «und wenn da jemand die alten Zeiten wiederaufleben lässt …»
    «Neue Aufgabenverteilung!», entschied Clemencia. «Angula und van Wyk suchen alles an Information über den Lubowski-Fall heraus, was zu finden ist. Mit besonderer Berücksichtigung von Slang van Zyl. Robinson, du fährst zur Witwe und stellst sicher, dass es sich bei Abraham van Zyl um denselben Mann handelt.»
    «Reicht es nicht, wenn ich anrufe und nach dem Geburtsdatum frage?», murrte Robinson.
    Nein, das reichte nicht, denn wenn die Vermutung zutraf, musste Mevrou van Zyl ernsthaft ausgequetscht werden. Dann hatte man nämlich ein mögliches Motiv. Oder zumindest etwas, was Abraham van Zyl von all seinen Nachbarn unterschied. Von diesen war sicher keiner in den aufsehenerregendsten politischen Mord der namibischen Geschichte verwickelt gewesen.
    «Langsam», sagte Oshivelo. «Selbst wenn er Slang van Zyl war, heißt das noch lange nicht, dass der Mord an ihm etwas mit der Lubowski-Sache zu tun hat. Immerhin sind zwanzig Jahre seit damals vergangen.»
    Das war ohne Zweifel richtig. Clemencia sah nach oben. Der Deckenventilator rührte hilflos durch die Hitze. Eine Klimaanlage gab es nur im Arbeitszimmer des Chefs.
    «Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit», sagte Oshivelo. «Wir leben heute in einem anderen Land, und die Wunden von damals sind vielleicht noch nicht völlig verheilt, aber zumindest vernarbt.»
    «Möglich», sagte Clemencia. Sie fragte sich, wieso sich Oshivelo einmischte. Das war sonst nicht seine Art. Sie fuhr fort: «Aber es ist eine Spur, die wir …»
    «Natürlich», sagte Oshivelo. «Sie sollten nur im Auge behalten, dass Morde aus vielen Gründen begangen werden. Wieso sollte es nicht auch
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