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Die Stunde des Löwen

Die Stunde des Löwen

Titel: Die Stunde des Löwen
Autoren: Alexander Köhl
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Zoologischen Gartens, und dies sind meine Mitarbeiter Kurt Klein, Tierpfleger und Leiter der Vivaristik, und der Kurator des Exotariums, Dr.   Schlenk. Wir können uns das wirklich nicht erklären. Die ganze Angelegenheit ist mir sehr unangenehm. Wir werden uns selbstverständlich dafür einsetzen, dass das entsprechende Tier umgehend eingeschläfert wird. Ich kann Ihnen aber versichern, dass für unsere Besucher zu keinem Zeitpunkt ein Risiko bestand.«
    Sebald überlegte, ob man ein Krokodil überhaupt einschläfern konnte wie einen altersschwachen Hund oder eine Katze. Er hielt diese Vorstellung für ziemlich abwegig und fragte sich, ob die kurzen Pfeile aus Blasrohren, die er aus diversen Tierfilmen kannte und mit denen Wölfe, Raubkatzen und sogar Nashörner erfolgreich betäubt werden konnten, die hartgeschuppte Reptilienhaut durchdringen würden. Skeptisch schaute er den Direktor an.
    Â»Vielleicht können Sie uns erst einmal erzählen, was eigentlich passiert ist!«
    Â»Ja, natürlich, aber das übernimmt besser Herr Klein. Er hat das Opfer entdeckt.«
    Kurt Klein zuckte ermattet mit den Achseln. Er begann stockend zu sprechen und versuchte das Zittern in seiner Stimme unter Kontrolle zu bekommen. »Ich war heute etwas später an meinem Arbeitsplatz, da mein Wagen nicht ansprang. Wie jeden Morgen machte ich einen Kontrollgang durch das Exotarium. Zum Glück war die Kasse noch geschlossen und kein Besucher im Haus. Als ich oben am Krokodilbecken vorbeikam, sah ich …« Er zögerte, und seine fahle Gesichtsfarbe wechselte ins Grüne. Stammelnd versuchte er, das innere Bild in Worte zu fassen. »Da sah ich das rote Wasser im Becken, und zuerst dachte ich noch, das Tier hätte sich irgendwo verletzt, aber dann war da … der Körper oder … was davon übrig war, die zerrissenen Kleider. In einer Ecke lagen die Gedärme. Es war … schrecklich.«
    Â»Und Sie wissen, wer das Opfer ist?«
    Â»Natürlich! Der Martin. Man kann ihn ja noch … erkennen. Wie konnte er nur so leichtsinnig sein!«
    Das Entsetzen war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, und Sebald rätselte, ob es möglich war, diese Betroffenheit nur vorzutäuschen. Er hatte in seinem Leben schon viele Menschen kennengelernt, die um sich herum Lügengebäude aus härtestem Stahl aufgebaut hatten, deren rostiger fauler Kern erst mit der Zeit und den richtigen Fragen sichtbar wurde. Auch hier spürte er eine Unaufrichtigkeit hinter den stammelnden Worten des Mannes.
    Â»Wer war dieser Martin?«, fragte er.
    Â»Ein Angestellter von uns, der Nachtwächter Martin Paschke«, antwortete der Direktor anstelle von Klein.
    Sebald schob seine Verärgerung darüber, dass nicht der Angesprochene geantwortet hatte, zur Seite und blickte dem Direktor auf die schmalen Lippen.
    Â»Er war auch für die Überwachung der Technik zuständig und erfüllte diese Aufgabe meines Wissens äußerst korrekt«, fügte dieser hinzu.
    Â»Glauben Sie, dass Herr Paschke versehentlich in das Becken gefallen ist?«
    Schnell erwiderte der Direktor: »Ausgeschlossen! Die Sicherheit hat bei uns absolute Priorität, und das gilt nicht nur für unsere Besucher, sondern natürlich auch für alle Mitarbeiter, die mit gefährlichen Tieren zu tun haben. Zu solch einem Vorfall kann es meiner Meinung nach nur kommen, wenn jemand vorsätzlich in das Gehege steigt. Deshalb haben wir ja auch die Polizei geholt.«
    Â»Gab es denn einen Grund, warum Paschke dies hätte tun sollen?«, fragte Barmer und ließ die Hand mit seinem Notizblock sinken, auf dem er bisher scheinbar gelangweilt herumgekritzelt hatte. Sebald wusste jedoch, dass er alle anwesenden Personen genau beobachtet und auf jedes Wort geachtet hatte.
    Â»Nun, äh, nicht direkt.«
    Â»Und indirekt?« Barmer lächelte unschuldig und klickte mit seinem Kugelschreiber.
    Der Direktor suchte einen Moment nach den passenden Worten, dann sagte er: »Wissen Sie, die meisten Tierpfleger sind auch privat große Tierliebhaber, und viele pflegen in ihrer Freizeit ein Tier oder auch mehrere. Herr Paschke hatte, soviel ich weiß, zwar kein eigenes Haustier, er war aber richtig vernarrt in seine – wie er sie nannte – Anbefohlenen, und es ist durchaus denkbar, dass er in naiver und leichtsinniger Absicht sich … äh, das Krokodil etwas näher ansehen wollte und
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