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Die Stunde des Löwen

Die Stunde des Löwen

Titel: Die Stunde des Löwen
Autoren: Alexander Köhl
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im Blick und gib mir Bescheid, wenn sich was tut.«
    Kurz nachdem sich Born zum Ferienhaus Zutritt verschafft hatte, gab er übers Funkgerät Entwarnung. Mit einem sonoren »Over« meldete er sich ab. Im dem Moment entdeckte Mannfeld einen Schatten an der Veranda. Eine dunkel gekleidete Gestalt, die sich dem Haus vom Seeufer genähert haben musste und die nun mit einem großen Schritt über das Geländer stieg.
    Â»Pass auf, Ludger, da kommt jemand über die Veranda.«
    Als sie wieder in den Empfangsmodus schaltete, hörte sie nur lautes Rauschen.
    Â»Ludger, verdammte Scheiße, hörst du mich? Er ist da.«
    Sie presste das Nachtsichtgerät so fest an ihre Augen, dass der Druck des Okulars auf ihrer Haut schmerzte. Doch als sie zur Veranda spähte, war die dunkle Gestalt nicht mehr zu sehen. Ein, zwei Atemzüge lang hielt sie wie erstarrt inne. Dann zog sie die Waffe aus dem Holster und rannte los.
    Nur wenige Meter trennten sie vom Haus, als sie Born plötzlich laut rufen hörte. Sekundenbruchteile später zerriss ein Schuss die Stille. Ein dumpfer Schlag und das Geräusch von berstendem Holz folgten. Ein Körper stürzte von der Veranda. Als sie näher kam, erkannte sie, dass es Born war, der bäuchlings im Schnee lag. Fluchend rappelte er sich auf. Sein Gesicht war blutüberströmt.
    Â»Lauf«, forderte er sie auf und stöhnte gequält. Er deutete in die Richtung, in die »hotcracker« verschwunden war.
    Â»Und du?«
    Â»Komm schon allein klar.«
    Zögernd dachte sie an Henry und dann an Jan.
    Â»Jula, lauf! Lass das Arschloch nicht entkommen.«
    Â»Halt! Stehen bleiben, Polizei!«
    Ihr rechter Fuß rutschte kurz seitlich weg, als sie dem Mann über den vereisten Waldweg folgte. Schon bald spürte sie in ihrer Lunge ein heftiges Stechen, das jeden ihrer Schritte begleitete. In einer Wegbiegung schlug ihr ein tief hängender Ast ins Gesicht. Ihr rechtes Auge brannte. Keuchend blieb sie stehen.
    Â»Halt! Stehen bleiben oder ich schieße!«, rief sie kraftlos und rieb sich das tränende Auge.
    Als sie wieder einigermaßen scharf sehen konnte, war sie sich sicher, den Flüchtenden verloren zu haben. Da hörte sie irgendwo seitlich im Wald das Jammern einer Zündung. Sie sprintete los. Das Aufheulen eines Motors in den Ohren, hetzte sie den Hügel hinauf. Nein, dachte sie, bitte nein, und sah einen weißen Kleinwagen über einen Waldweg davonjagen. Sie zog die Dienstwaffe und zielte auf die Reifen. Drei kurz aufeinanderfolgende Schüsse peitschten durch den Wald. Aus zusammengekniffenen Lidern beobachtete sie, wie das Fahrzeug ins Schlingern geriet und gegen einen Baum krachte. Unmengen von Pulverschnee rieselten aus dem Geäst und umgaben die Karosserie in Sekundenschnelle mit einem weißen Nebel.
    Nachdem sich die Wolke ein wenig gelegt hatte, näherte sie sich dem Wagen vorsichtig von hinten. Der Motor tuckerte leise, als sie dem Fahrer befahl, mit erhobenen Händen auszusteigen. Doch aus dem Inneren des Wagens erfolgte keine Reaktion. Als sich auch auf ihre zweite und dritte Aufforderung hin nichts rührte, öffnete sie, die Waffe im Anschlag, die Fahrertür. Ein schlaffer, leblos wirkender Körper sackte ihr entgegen. Mit klopfendem Herzen starrte sie in das blutverschmierte Gesicht eines bewusstlosen blonden Mannes, auf dessen Stirn eine breite Platzwunde klaffte.

EPILOG
    Fremden legte das Rasierzeug beiseite und schaute aus dem Fenster. Es war das erste Mal, dass er Zeuge wurde, wie die Haflinger abends von der Koppel abgeholt wurden. Im schwindenden Tageslicht führte ein schlanker blonder Mann die Tiere am Zaumzeug hinter sich her. Vielleicht war es die große Ähnlichkeit, die der Pferdehüter auf die Entfernung mit dem Täter auf dem Video besaß, die ihn in diesem Moment an sein letztes Treffen mit Klaus Bruckner denken ließ.
    Im Verlauf des Gesprächs, das vor fünf Tagen im Ausstellungsraum des Bestattungsunternehmens stattgefunden hatte, hatte er erfahren, dass es der Polizei gelungen war, den mehrfachen Mörder in der Nähe des Ferienhauses zu stellen. Dass Bruckner das ausgelobte Honorar in voller Höhe zu zahlen bereit war, damit hatte er nicht gerechnet. Zumal der Bestatter diversen kleinen Andeutungen zufolge mittlerweile zu wissen schien, dass er nicht der Jonas Fremden war, den er zu engagieren geglaubt hatte. Doch offenbar störte er sich
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