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Die Stunde des Löwen

Die Stunde des Löwen

Titel: Die Stunde des Löwen
Autoren: Alexander Köhl
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nachzudenken, stürzte sich Paschke auf ihn. Seine Hände umklammerten den Hals seines Gegners. Paschke drückte zu, spürte das knorpelige Gewebe der Atemröhre unter seinen knotigen Händen, fühlte die Kraft des Mannes, der sich wie ein Aal in seinen Fäusten wand. Paschke wusste, dass der Verlierer des Kampfes die Arena nicht lebend verlassen würde. Er schob alle Bedenken beiseite und drückte fester. In diesem Moment spürte er das kalte Metall der Waffe an seiner Stirn.
    Â»Aufhören, du Narr!«, japste der Mann.
    Paschke erstarrte. Seine Hände zitterten. Langsam lockerte er den Griff, merkte gleichzeitig, dass er sich in die Hose gemacht hatte. Ohne den Mann aus den Augen zu lassen, wankte er ein paar Schritte zurück. Da ertasteten seine Hände hinter seinem Rücken etwas Hartes. Ein faustdicker Stein. Er zog daran, es knirschte leise. Von draußen ertönte das Maunzen eines Pfaus, einige Paviane antworteten kreischend. Paschke umklammerte den Stein und schleuderte ihn gegen die Stirn des Mannes, doch der duckte sich, und der Brocken verfehlte sein Ziel.
    Paschke rannte um sein Leben. Nach wenigen Schritten prallte er mit dem Bauch gegen eine Barriere. Noch bevor er realisieren konnte, wogegen er gelaufen war, wurde er gepackt und herumgewirbelt. Paschke trat zu, doch der Mann packte seinen Fuß und schob ihn nach hinten. Seine Hände suchten Halt, griffen ins Leere. Während er nach Hilfe schrie, stürzte er rückwärts über die Absperrung.
    Der Schmerz des Aufpralls explodierte in seinem Kopf, nahm ihm aber nur für Sekunden die Besinnung. Vor ihm bewegte sich ein meterlanger Holzstamm. Paschke erstarrte, als ihm klar wurde, wo er sich befand.
    Das Reptil schob seinen massigen Körper näher. Neugierig. Witternd. Hungrig. Paschke starrte in zwei gelbgrüne Augen, deren schmale, senkrechte Pupillen ihn kalt taxierten.
    Das Letzte, woran Martin Paschke dachte, bevor ihm ein fürchterlicher Schmerz die Besinnung raubte, war die Frage, warum er nicht auch dieses Tier in seine intime Zwiesprache mit einbezogen hatte.

Teil 1
    Die klassischen Hauptsätze der Thermodynamik, vereinfacht:
1. Du kannst nicht gewinnen.
2. Du kannst nicht unentschieden spielen.
3. Du kannst das Spiel nicht verlassen.
    Anonym

1
    Barmer stellte sich breitbeinig in den Flur, zerrte die Kiefer zu einem Bulldoggengrinsen auseinander und platzierte seinen Spruch wie eine Tretmine: »Der Sebald steht im Wald, er hat es nicht geschnallt. Die Kleine macht ihn nass, sie schnappt sich seinen Pass.«
    Barmer zwinkerte mit den Augen, deutete eine Verbeugung an und verschwand ohne eine Antwort abzuwarten in einem der Zimmer des Polizeipräsidiums.
    Â»Arschloch«, murmelte Kriminalhauptkommissar Klaus Sebald, während er die Tür zu seinem Büro öffnete. Er kramte eine Dose Kaffee hervor, goss Wasser in die Kaffeemaschine und ließ sich an seinem Schreibtisch nieder. Finster starrte er auf die Maserung im Holz. Der Geruch des überbrühten Pulvers zerrte Galle in seinen Mund. Er öffnete die oberste Schublade, schob die Sig Sauer beiseite und suchte nach einer Kopfschmerztablette. Er fühlte sich wie ein Seemann, den man im Ausguck vergessen hatte. Es war nicht oder nicht nur der Apfelwein, der ihm so zusetzte und den er – obwohl er es eigentlich besser hätte wissen müssen – »wenn schon, dann im Original«, also unverdünnt, getrunken hatte. Und es war auch nicht diese grauenhafte lokale Spezialität »Handkäs mit Musik«, ein halb roher Käse, der mit Zwiebelsud und trockenem Brot gereicht wurde. Es war die Niederlage, die Enttäuschung, die polizistenpeinliche Aktion.
    Gestern war sein freier Abend gewesen, und er hatte seiner jüngsten Bekanntschaft imponieren wollen. Bei Apfelwein und zünftigem Essen wollte er sich von seiner charmant-vertraulichen Seite zeigen, und eine Zeit lang ging das auch gut. Dachte er zumindest. Hätte er ihr gebeichtet, dass er ein Bulle sei, hätte sich die Dame wahrscheinlich nicht getraut. Aber seine bisherigen Erfahrungen bei der offenen Beantwortung der Frage nach seinem Beruf waren wenig ermutigend, und so manch verheißungsvoller Abend verpuffte wie die Zigarette danach, bevor es ein Davor gegeben hatte. Wer wollte schon mit einem Bullen ins Bett, der bei Rot nicht über die Straße geht und armen Rentnern, die ihren Kleinwagen ins Halteverbot stellten, einen
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