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Die Stimme des Nichts

Die Stimme des Nichts

Titel: Die Stimme des Nichts
Autoren: Alan Dean Foster
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Angestellten aufspüren. Es war kaum überraschend, dass der junge Mann in die Cafeteria gegangen war, dachte sie. Da die lebenswichtigen Organe stabil waren und er problemlos aus der Bewusstlosigkeit erwacht war, hatte man ihn nicht intravenös ernährt. Er hatte zweifellos Hunger bekommen.
    Nun, sie würde ihn dort abholen.
    Sie war eher ratlos als ärgerlich, als sie ihn bei ihrem Gang durch den Speisebereich auch nicht entdecken konnte. Eingedenk seiner Größe war sie sicher, ihn nicht übersehen zu haben. Sie sah sich noch einmal suchend um, dann rief sie die Überwachungsstelle im vierten Stock an. Vielleicht war er in der Zwischenzeit woandershin gegangen. Auf den Fluren war sie jedenfalls nicht an ihm vorbeigelaufen.
    Der Angestellte am Überwachungspult behauptete nach wie vor, die fragliche Person sei in der Cafeteria. Marinsky koordinierte ihr Pad mit dem Aufspürer, der sie prompt an einen leeren Tisch führte, auf dem die vertrocknenden Reste einer schnellen Mahlzeit lagen. Erst als sie das mayonnaisebeschmierte ID-Schildchen aus dem Sandwich zog, wurde ihr schlagartig klar, wie viel Zeit vergeudet worden war.
    Sie benachrichtigte den hauseigenen Sicherheitsdienst, dann Sherevoeu. Mit wütenden Gesichtern vergeudeten sie eine weitere halbe Stunde, indem sie mit dem Chef des Sicherheitsdienstes mögliche Vorgehensweisen erörterten, bevor endlich eine kleine Beamtin der städtischen Polizei aufgrund ihrer drängenden Forderung persönlich erschien.
    In dem kleinen Büro des Sicherheitschefs bestand Sherevoeu darauf, die Polizei solle wegen des verschwundenen Patienten sofort eine umfangreiche Suchmeldung herausgeben. Seine Forderung wurde nicht gut aufgenommen.
    »Wozu bin ich hier?« Der Unmut der Polizistin war so stark, dass ihr professionelles Auftreten darunter litt.
    Die beiden Ärzte tauschten einen Blick. Der Sicherheitschef zog ein Gesicht, als wäre er am liebsten woanders. »Das haben wir soeben gesagt«, antwortete Marinsky schließlich.
    »Sie hätten eine gewöhnliche Vermisstenmeldung über die Citybox aufgeben können. Warum haben Sie darauf bestanden, dass jemand persönlich herkommt, der die Daten aufnimmt?« Das Pad aufnahmebereit in der Hand, den Kopf leicht zur Seite geneigt, erinnerte die ungeduldige Beamtin an einen ärgerlichen Spaniel.
    »Die Angelegenheit ist ein wenig heikel.« Sherevoeu versuchte, die Situation wieder in den Griff zu bekommen. »Der fragliche Patient ist – einzigartig.«
    »Wie einzigartig?« Die Polizistin war nicht beeindruckt.
    Sherevoeu machte einen Fehler. Er lächelte herablassend. »Es geht um physiologische, genauer gesagt neurologische Anomalien, die eine sofortige Untersuchung erfordern.«
    »Zu kompliziert, als dass ein dummer Polizist das kapieren würde, wie?« Die Beamtin straffte die Schultern und blickte den Neurologen wütend an. »Was ich meine, ist – mal sehen, ob Sie mir folgen können –, in welcher Weise die Einzigartigkeit der vermissten Person die Polizei von Reides betrifft? Welches Verbrechen hat er begangen? Welche Gefahr für die Bürger stellt er dar? An was für verbotenen oder gegen die Gesellschaft gerichteten Handlungen war er beteiligt? Welche Drohungen hat er gegen das Krankenhaus oder dessen Personal geäußert?« Sie wartete.
    Es dauerte einen Moment, bis Marinsky antwortete. »Nun – keine eigentlich.«
    Die Polizistin gab das demonstrativ in ihr Pad ein. »Keine. Aha.« Sie schaute auf. »Ist der Patient also eine Gefahr für andere? Oder sind Sie bloß sauer, weil jemand aus Ihrem Krankenhaus spaziert ist, ohne die entsprechenden achtzig Seiten Papierkram auszufüllen?«
    Sherevoeus Gesicht hellte sich auf. »Der Patient ist tatsächlich eine Gefahr. Für sich selbst. Aufgrund der wenigen Informationen, die wir erlangen konnten, glauben wir, dass er ohne sofortige medizinische Überwachung und Behandlung sterben könnte.«
    »Korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre, Doktor«, sagte die Polizistin scheinbar nachdenklich, »aber trifft diese Diagnose nicht in einem gewissen Grade auf alle Bürger dieser Stadt zu?« Bevor Sherevoeu etwas erwidern konnte, hob sie die Hand. »Das war keine Frage, auf die ich eine Antwort erwarte. Ist der Zustand des Patienten in irgendeiner Weise ansteckend?«
    Marinsky zögerte, sah sich dann aber genötigt zu antworten. »Nein, das glauben wir nicht. Er muss untersucht werden, damit sein ungewöhnlicher Zustand behandelt werden kann. Das ist alles. Wir wollen ihm lediglich helfen.«
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