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Die Stille zwischen den Sternen

Die Stille zwischen den Sternen

Titel: Die Stille zwischen den Sternen
Autoren: Juergen Banscherus
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Hörer. »Und was ist der Haken?«
    »Der Junge spricht nicht.«
    »Kann er nicht oder will er nicht?«
    »Das lässt sich noch nicht sagen, Herr Kommissar.«

    Als ich in den Behandlungssaal zurückkehre, wirst du gerade von deiner Mutter gefüttert.
    »Schmeckt’s ihm?«, frage ich.
    »Warum haben Sie uns nicht Bescheid gesagt?«, fragt sie zurück.
    »Das habe ich versucht«, antworte ich. »Sie waren nicht zu Hause.«
    Deine Mutter schiebt dir einen Löffel Kartoffelbrei
in den Mund. »Er spricht nicht, Herr Doktor«, sagt sie.
    »Ich weiß, Frau Klinger.«
    »Aber wieso?«, fragt sie.
    »Nach Kopfverletzungen passiert das manchmal«, sage ich.
    »Und wann wird er wieder sprechen können?«
    »Wir müssen abwarten.«

    Ein paar Tage später. Deine Eltern haben inzwischen dafür gesorgt, dass du in einem Einzelzimmer liegst. Das heißt, eigentlich ist es ein Doppelzimmer. Aber das zweite Bett ist im Augenblick nicht belegt. Dir macht das offenbar nichts aus.
    Gerade habe ich Winter in dein Zimmer gebracht. Ihm scheint es egal zu sein, dass ich bei der Vernehmung zuhöre.
    »Ich bin Kommissar Winter von der Kriminalpolizei«, sagt er. »Ich bearbeite deinen Fall.« Er lächelt. »Oder deinen Sturz.« Er zieht einen Stuhl an dein Bett. »Doktor Bach hat mir erzählt, dass du noch nicht sprechen kannst. Aber Kopfschütteln und Nicken schaffst du, ja?« Umständlich greift er in seine ausgebeulte Jackentasche. »Kennst du dieses Ding hier?«
    Du schüttelst den Kopf.
    »Wir haben es bei dir gefunden, Jonas. Es ist ein Wandler. Er stammt vom Sendemast auf dem Katzenberg. Wo diese Hundertmarkscheine herkommen, weißt du natürlich auch nicht«, fährt der Polizist fort und fächelt sich mit den blauen Scheinen Luft zu.

    Wieder schüttelst du den Kopf.
    »Das Geld und den Wandler haben sie bei dir gefunden, als sie dich in der Nacht hierher ins Krankenhaus gebracht haben«, sagt der Kommissar.
    Als Nächstes zieht er ein Sweatshirt aus einer Plastiktüte. »Gehört das dir?«, fragt er.
    Diesmal schüttelst du energisch den Kopf. »Das Shirt lag am Sendemast«, sagt Winter. »Zwischen zwei Büschen. Da ist Blut drauf. Deine Blutgruppe, Jonas. Das haben wir überprüft. Warst du in der Nacht zum 21. Juli mit jemandem zusammen? Einem Mädchen zum Beispiel?«
    Du schaust erstaunt und lächelst ein bisschen. Ich kann mir gut vorstellen, was dir durch den Kopf geht: Ein Mädchen?, denkst du. Nachts? Keine schlechte Idee!
    »Erinnerst du dich überhaupt an die Nacht?«, will der Kommissar von dir wissen.
    Wieder schüttelst du den Kopf.
    Winter fährt sich durch die Haare. Einen Stummen hat er mit Sicherheit noch nie verhört.
    »Durst?«, fragt er.
    Du nickst, und er reicht dir das halb volle Glas, das auf dem Nachtschränkchen steht. Das Trinken macht dir Schwierigkeiten. Sobald du dich nach vorn beugst, bekommst du höllische Kopfschmerzen. »Ich soll dich von Kim grüßen«, sagt Winter, nachdem du getrunken hast. »Er ist doch dein Freund, oder?«
    Du nickst.
    »Ich war heute Morgen in deiner Schule«, erzählt der
Kommissar. »Kim sagt, dass du ein großartiger Bastler bist. Du sollst ein Experte für Funk und Computer sein. Aber du hast wohl in letzter Zeit nicht viel gesprochen. Oder besser, du hast gar nicht mehr geredet. Das ist allen aufgefallen. Sogar den Lehrern. Nur deiner Mutter nicht.«
    Winter steht auf und bringt den Stuhl zum Tisch zurück. »Also, mein Junge«, beginnt er, »ich sage dir, wie es gewesen ist. Jemand hat dir tausend Mark dafür gegeben, dass du den Wandler vom Sendemast abbaust. Während du hochgeklettert bist, hat eine Frau oder ein Mädchen Schmiere gestanden. Beim Runtersteigen bist du dann abgestürzt. Hast gedacht, du bist so gut wie unten, und hast nicht mehr aufgepasst. Die Frau hat dir ihr Sweatshirt unter den Kopf gelegt, hat jemanden losgeschickt, um den Krankenwagen zu alarmieren, und ist abgehauen. War es so? Du wirst reden, Jonas«, sagt Winter, während du ihn mit großen Augen anstarrst. »Irgendwann wirst du den Mund aufmachen. Ich habe Zeit.«

    »Was denkst du eigentlich über den Jonas Klinger?«, frage ich Doktor Norden, der mir aus dem Stationszimmer der P3 entgegenkommt. Mit spitzen Fingern fischt Norden eine Zigarette aus seiner Kitteltasche, zündet sie aber nicht an.
    »Könnte er nicht eine Aphasie haben?«, frage ich.
    »Dann hätten wir irgendeine hirnorganische Veränderung finden müssen«, sagt Norden.
    »Vielleicht spricht er nicht, weil er noch unter Schock
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