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Die Stille zwischen den Sternen

Die Stille zwischen den Sternen

Titel: Die Stille zwischen den Sternen
Autoren: Juergen Banscherus
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Erinnerung zu finden.
    »Eigentlich müsste Jonas schon wieder ansprechbar sein«, sage ich. »Ihr Sohn hat zwar eine schwere Gehirnerschütterung. Aber die Untersuchungsergebnisse zeigen sonst keine Auffälligkeiten.«
    »Warum wacht er dann nicht auf?«, fragt deine Mutter. Sie sieht übernächtigt aus. Ihre Haut ist fahl, sie hat keine Zeit gehabt, sich zurechtzumachen.
    »Manchmal dauert es eben länger«, sage ich.
    Halb acht, die Infusionen sind verteilt, der Monitorcheck ist fertig. Die fünf Patienten scheinen stabil zu sein, wenigstens für den Augenblick. Seit fast vierundzwanzig Stunden bin ich auf den Beinen, in der Nacht
ist in der Ambulanz der Teufel los gewesen - und das nicht nur wegen dir.
    »Gehen Sie nach Hause«, sage ich. »Im Augenblick können Sie nichts für Ihren Sohn tun. Sobald sich sein Zustand ändert, benachrichtigen wir Sie.«
    Deine Mutter schüttelt den Kopf. »Ich bleibe hier«, sagt sie.
    Dein Vater hat die ganze Zeit über neben ihr gesessen und geschwiegen. Jetzt legt er seine Hand auf deinen Arm. »Ich bleibe auch«, sagt er.
    Ich schließe die Augen. Die beiden haben Angst um dich, ich muss Geduld haben.
    »Niemand will Sie hinauswerfen«, sage ich. »Natürlich können Sie bleiben. Vielleicht gehen Sie einfach mal ein bisschen raus an die frische Luft. Gleich kommen die Leute für die Blutentnahmen. Danach ist es hier wieder ruhiger. Bitte haben Sie Verständnis.«
    »Verständnis?« - Deine Mutter springt auf. - »Wir sind seine Eltern! Was würden Sie tun, wenn Ihr Sohn …«
    »Lass gut sein, Sonja«, unterbricht sie dein Vater. »Wir warten draußen, Herr Doktor.«

    Nachdem die beiden die Intensivstation verlassen haben, überprüfe ich noch einmal den Pulsoxymeter auf deiner Fingerkuppe, die automatische Blutdruckmessung, die Kontakte des EKGs. Eigentlich gibt es keinen Grund, dass du nicht aufwachst.
    Wie du daliegst, siehst du jünger aus, als du bist. (Entschuldige, in deinem Alter hört man das nicht
gern, ich weiß.) Vierzehn Jahre - ich habe dich in der Nacht auf zwölf geschätzt. Ich rücke die Kissen unter deinen Armen zurecht und korrigiere die Position der Knierolle. Mehr kann ich im Moment für dich nicht tun.
    In meinem Zimmer mache ich mir einen starken Kaffee. Dann höre ich mir an, was ich in der Nacht aufs Diktafon gesprochen habe.

    »Eingeliefert wird gegen 0.30 Uhr, korrigiere, gegen 0.40 Uhr ein etwa zwölfjähriger Junge. Nach Auskunft der Rettungssanitäter wurden sie durch einen unbekannten Anrufer benachrichtigt, der angab, den Verletzten unterhalb des Sendemastes auf dem Katzenberg gefunden zu haben. Bei Eintreffen des Rettungswagens war niemand bei dem Jungen. Nach einer Notversorgung vor Ort wurde er in unsere Ambulanz gebracht.
    Bei der Aufnahme ist der Patient ohne Bewusstsein. Er hat oberflächliche Schürfwunden an der Stirn, ein faustgroßes Hämatom am Hinterkopf sowie geringfügige Abschürfungen an beiden Knien. EEG und CT deuten auf eine schwere Commotio cerebri hin, weitere neurologische Auffälligkeiten sind zunächst nicht festzustellen. Die Reflexe sind normal, innere Verletzungen sind wohl auszuschließen.
    Der Allgemeinzustand ist gut. In den Hosentaschen des Patienten finden sich tausend Mark in zehn Hundertmarkscheinen sowie ein offenbar Elektronik enthaltender kleiner Kasten. Beides wird einem anwesenden Polizeibeamten übergeben. Hinweise auf die
Identität des Jungen gibt es nicht. Er wird zur Überwachung auf die Intensivstation verlegt.

    4.10 Uhr. Die Eltern des Patienten kommen auf die Station. Der Junge heißt Jonas Klinger und ist vierzehn Jahre alt. Auf Nachfrage zeigen sich die Eltern außerstande, eine Begründung für das Unglück zu geben. Jonas sei wie gewöhnlich gegen 21 Uhr zu Bett gegangen. Sein Verschwinden hätten sie erst am Morgen gegen halb vier Uhr entdeckt. Die Eltern bleiben bei dem Patienten.«
    »Gehen Sie schlafen«, sagt die Schwester, als ich ins Stationszimmer komme. »Sie waren lange genug auf den Beinen.«
    »Gebt mir Bescheid, wenn der Junge aufwacht«, sage ich.
    »Aber sicher, Doktor.«

    Im Wald ist es feucht, es riecht nach faulendem Holz. Der Mobilfunkmast ist durch die Tannen verdeckt, der Kommissar sieht ihn erst, nachdem er eine Fichtenschonung hinter sich gelassen hat. Ein Servicewagen der Mobilfunkgesellschaft steht vor der Anlage, an der Spitze des Mastes macht sich ein Monteur zu schaffen. Soweit der Kommissar das im grellen Gegenlicht erkennen kann, hat der Mann einen der Kästen
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