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Die Stille zwischen den Sternen

Die Stille zwischen den Sternen

Titel: Die Stille zwischen den Sternen
Autoren: Juergen Banscherus
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hereindringt, nimmt ihm den Atem.
    »War Jonas in den letzten Wochen irgendwie auffällig?«, fragt er.
    »Auffällig?«
    »War er zum Beispiel niedergedrückt?«, fragt der Kommissar. »Oder besonders fröhlich?«

    Du hättest nicht viel geredet in letzter Zeit, antwortet deine Mutter.
    Ob du jemals von Selbstmord gesprochen hast, will Winter wissen.
    Deine Mutter springt auf.
    »Niemals!«, ruft sie. »Wie können Sie nur so etwas fragen!«
    »Immerhin ist er mit einer schweren Gehirnerschütterung unter dem Mast gefunden worden«, antwortet Winter ruhig.
    »Wissen Sie inzwischen, von wem?«
    »Noch nicht, Frau Klinger. Aber wir arbeiten dran.« Winter steht auf und gibt deiner Mutter zum Abschied die Hand. »Übrigens - wir haben bei Jonas tausend Mark gefunden«, sagt er. »Haben Sie eine Erklärung, wieso er solch eine Summe mit sich herumgetragen hat?«
    »Tausend Mark? Wo soll Jonas tausend Mark herhaben?«
    »Sehen Sie«, sagt der Kommissar, »das fragen wir uns auch.«
    Deine Mutter zeigt auf die beiden Kakteen. »Die sind aber wunderschön«, sagt sie.
    »Der eine ist ein Cleistocactus laniceps«, erklärt der Kommissar, »und der dicke hier ein Echinocactus grusonii, ein ›Schwiegermuttersessel‹. Interessieren Sie sich für Kakteen?«
    »Nein«, sagt deine Mutter. »Aber mein Sohn. Auf Wiedersehen.«
    Winter hält sie noch zurück. Wo sie arbeite, fragt er.

    »Im Marketing eines Kosmetikunternehmens«, antwortet sie.
    »Und Ihr Mann?«
    »In der Mobilfunkbranche.«

    Ab jetzt kehrt dein Bewusstsein zurück, Jonas. Du versuchst, die Augen zu öffnen, hast das Gefühl, dass auf deinen Lidern zentnerschwere Kartoffelsäcke liegen. Aber irgendwie schaffst du es.
    Alles um dich herum ist weiß. Das Bett, die Wände, der Tisch, die Stühle. Eine Frau im weißen Kittel beugt sich über dich, du kannst ihr Gesicht nicht genau erkennen, noch ziehen Nebelschwaden vorüber. Dann rennt sie hinaus. Ihre Tritte dröhnen in deinem Kopf. Leise, möchtest du rufen, nicht so laut!
    Ich sitze im Arztzimmer, die Füße auf dem Schreibtisch, und habe die Augen geschlossen. Es ist ein Zustand, in dem ich nicht genau weiß, ob ich wach bin oder schlafe.
    Die Schwesternschülerin zupft mich am Ärmel. »Doktor Bach!«, ruft sie. »Er ist aufgewacht!«
    Ich fahre mir mit beiden Händen durchs Gesicht.
    »Jonas Klinger?«, frage ich.
    »Ja, der Junge vom Mast!«
    Als ich zu dir komme, schaust du mir entgegen. Du hast blaue Augen, komisch, ich hätte wetten können, dass sie braun sind. Inzwischen wirst du auch schon festgestellt haben, dass du an ein paar Kabeln hängst. Das ist für viele Leute unangenehm.
    »Hallo«, sage ich und gebe dir die Hand. Das heißt,
ich hebe deine Hand von der Bettdecke und drücke sie leicht.
    »Ich bin Doktor Bach«, stelle ich mich vor.
    »Wie fühlst du dich, Jonas? Verstehst du mich?«, frage ich.
    Natürlich verstehe ich Sie, möchtest du sagen. Aber es geht nicht, du kriegst den Mund einfach nicht auf. Nach einer langen Bewusstlosigkeit geht das vielen Leuten so.
    »Was macht dein Kopf?«, frage ich. Ich fühle deinen Puls und überprüfe die Infusion. Dann entferne ich den Kontakt von deinem Finger. »Den Pulsoxymeter brauchst du nicht mehr. Den Katheter werde ich noch drinlassen. Kannst du mal den Mund öffnen?«, bitte ich dich.
    Es ist schwer, aber es gelingt dir.
    »Mach ihn wieder zu. Weißt du, wo du bist?«
    Du nickst. »Wo denn?«
    Du schaust mich an und sagst nichts.
    »Weißt du, was passiert ist?«, frage ich weiter.
    Du schüttelst den Kopf. Die Bewegung tut dir bestimmt verdammt weh.
    Ich zeige dir fünf Finger. »Wie viele sind das? - Kannst du nicht sprechen?«, frage ich weiter, als du nicht reagierst.
    Du schüttelst den Kopf. Einmal hin, einmal her.
    »Hast du Hunger?«
    Du nickst.
    »Ich lasse dir eine Suppe bringen.«

    Zurück in meinem Zimmer, schalte ich das Diktiergerät ein:
    »Jonas Klinger, aufgenommen am 21.7. Diagnose: Commotio cerebri nach Sturz. Patient erwacht am 22.7. aus seiner Bewusstlosigkeit. Jonas ist ansprechbar, reagiert auf Fragen, ist aber nicht in der Lage zu sprechen. Automatische Blutdruckmessung, Dauer-EKG beendet, Pulsoxymeter entfernt.«
    Ich greife zum Telefon und rufe bei Jonas’ Eltern an. Dort meldet sich nur der Anrufbeantworter. Danach wähle ich Winters Nummer.
    »Ja?«
    »Hier spricht Doktor Bach. Jonas Klinger ist gerade aufgewacht.«
    »Wann kann ich mit ihm reden?«
    »Jederzeit.«
    »Jederzeit?«, kommt es verwundert aus dem
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