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Die Stille zwischen den Sternen

Die Stille zwischen den Sternen

Titel: Die Stille zwischen den Sternen
Autoren: Juergen Banscherus
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Station komme, finde ich ihn in der Besucherecke. Sein Haar ist an den Schläfen grau, auf seiner Nase sitzt eine randlose Brille. Die Gläser sind lange nicht geputzt worden.
    »Sie wollen zu mir?«, frage ich ihn.
    »Sind Sie Doktor Bach?«, fragt er zurück.
    Ich nicke.
    »Mein Name ist Winter. Ich bearbeite den Fall Jonas Klinger«, stellt der Kommissar sich vor.
    »Kaffee?«, frage ich, als wir in meinem Zimmer sitzen.
    »Gern.«
    »Was wollen Sie wissen?«, frage ich, nachdem ich die Kaffeemaschine angestellt habe.
    »Wie geht es dem Jungen?«
    »Den Umständen entsprechend«, antworte ich. Er habe mit ziemlicher Sicherheit keine inneren Verletzungen, die Blutwerte seien in Ordnung. Außer einer schweren Gehirnerschütterung und einigen leichten Schürfwunden sei ihm bei dem Sturz nichts passiert.
    »Sturz?«, fragt der Kommissar.
    Ich schaue Winter verblüfft an. »Ist Jonas etwa nicht vom Sendemast gestürzt?«
    »Falls Ihre Vermutung stimmt«, sagt Winter, »was glauben Sie, aus welcher Höhe er abgestürzt ist?«

    »Aus zwei oder drei Metern«, antworte ich.
    Winter denkt nach. Dann fragt er:
    »Ist der Junge auf die Stirn oder auf den Hinterkopf gefallen?«
    »Auf den Hinterkopf«, sage ich. »Da hat Jonas ein ziemlich großes Hämatom.«
    In meinem Zimmer herrscht das übliche Durcheinander. Fachbücher und medizinische Zeitschriften sind über Schreibtisch und Boden verteilt. Hängeordner stehen auf den Fensterbrettern. Ein Kaktus verkümmert in einer Ecke des Raums.
    »Echinocereus palmeri«, sagt Winter.
    »Wie bitte?«
    Der Kommissar zeigt auf den Kaktus. »Das ist ein Echinocereus palmeri. Er muss im Sommer an die frische Luft. Sonst geht er Ihnen ein. An die frische Luft, und reichlich gießen. Dann blüht er sogar. - Eine letzte Frage«, sagt er, nachdem er mir ausführlich von seinen Kakteen erzählt hat. »Was würde passieren, wenn ich aus zwei oder drei Metern Höhe auf den Hinterkopf fiele?«
    »Dann wären Sie mit einiger Wahrscheinlichkeit tot.«
    »So?«
    »Ja. Sie würden sich das Genick brechen.«
    Winter überlegt. »Aber warum hat der Junge den Sturz überlebt?«, fragt er.
    »Er wiegt ein bisschen weniger als Sie«, antworte ich. »Außerdem sind die Knochen bei Menschen in Jonas’ Alter elastischer als bei uns Erwachsenen. Auch im Halswirbelbereich.«

    »Kann ich den Jungen sehen?«, fragt Winter.
    »Ich habe nichts dagegen«, antworte ich. »Wenn Sie einen Kittel und Überschuhe anziehen, dürfen Sie zu ihm. Ich gebe Ihnen die Sachen.«
    An der Tür zur Intensivstation kommt Winter deine Mutter entgegen. Sie ist stark geschminkt, die lockigen schwarzen Haare sind zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
    Ob sie zu Jonas Klinger wolle, höre ich Winter fragen.
    Deine Mutter bleibt vor ihm stehen. »Wieso?«, fragt sie - nicht besonders freundlich, wie ich finde. Winter zeigt ihr seine Marke.
    »Polizei?«
    »Sind Sie die Mutter?«, fragt der Kommissar.
    »Ja.«
    »Kommen Sie in einer Stunde zu mir ins Polizeipräsidium«, sagt Winter. »Zimmer 431. Ich habe einige Fragen an Sie.«

    »Ist Ihr Sohn inzwischen aufgewacht, Frau Klinger?«, fragt der Kommissar. Die Vernehmung hat gerade begonnen.
    »Nein«, antwortet sie. »Leider.«
    Winter lehnt sich in seinen Schreibtischstuhl zurück und schließt die Augen.
    »Fragen Sie«, sagt deine Mutter. »Ich will schnell zurück ins Krankenhaus.«
    »In welche Klasse geht Jonas?«, beginnt der Kommissar.
    »In die achte.«

    »Gymnasium?«
    »Nein, Realschule. Wolfgang-Borchert-Realschule.«
    Ob du ein guter Schüler bist, will Winter wissen.
    »Eher mittelmäßig.«
    Was das alles mit dem Unfall zu tun habe, fragt deine Mutter.
    »Nun, es sieht so aus, als ob Ihr Sohn auf den Mobilfunkmast am Katzenberg geklettert ist und dieses Kästchen hier ausgebaut hat. Wandler nennt man das Ding. Ihr Handy funktioniert nicht mehr, wenn der Kasten am Mast fehlt. Verstehen Sie etwas davon?«
    Deine Mutter schüttelt den Kopf. »Warum sollte Jonas dieses Dingsda stehlen?«, fragt sie.
    »Wofür interessiert sich Ihr Sohn?«, fragt Winter zurück.
    »Für Computer«, antwortet deine Mutter. »Ja, er sitzt ziemlich oft an seinem Computer.«
    »Und sonst?«
    »Sonst?« Deine Mutter denkt nach. Ehrlich gesagt, sie habe keine Ahnung, antwortet sie irgendwann. Dein Vater und sie seien berufstätig. Vielleicht kümmerten sie sich zu wenig um dich.
    Winter steht auf, um das Fenster zu öffnen. Aber er schließt es gleich wieder. Die heiße Luft, die
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