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Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Titel: Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu
Autoren: Jaroslav Rudis
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vor allem falsche Musik weht ihn vom Podium an. Den Schlagzeuger würde er sofort nach Hause schicken, der spielt total gegen den Rhythmus. Auch den Bassgitarristen würde er rausschmeißen, den kriegt man auch kaum mit. Nur die Stimme der kleinen Sängerin ist interessant, wenn auch nicht geschult. Allerdings sollte sie jemand anderem die Gitarre überlassen. Vladimír streichelt die Rohrzange unter seinem Mantel. Bald wird er sein eigenes Konzert geben.
    Er geht weiter. Im Foyer hängen Fotos an den Wänden. Kaputte Städte. Soldaten. Kinder ohne Arme. Bilder vom Ausflug an einen der brennenden Ränder der Welt. Ein Betrunkener mit offenem Hosenstall liegt in der Ecke in einer Bierlache. Sein Kumpel versucht ihn aufzurichten. Keine Chance. Er kann sich selbst kaum auf den Beinen halten. Das Dröhnen aus dem Saal nimmt kein Ende. Es ist überall. Nicht zu ertragen. Es muss ein Ende haben. Jetzt. Um jeden Preis.
    Vladimír sucht nach dem Stromverteiler. Nicht mit den Augen, sondern mit dem Gehör. Er sucht das lautlose Rauschen der Elektronen, deren Strömungen er auch noch in Flutwellen von Lärm spürt.
    Gefunden. Ein junges Paar steht davor. Sie liegen sich in den Armen. Flüstern sich ins Ohr, sie tätschelt seinen Hintern. Sie trägt hohe Lederstiefel und zerrissene Netzstrümpfe, hat schwarz lackierte Fingernägel und um ihren Hals prangt ein Band mit Dornen. Auch er hat lackierte Fingernägel. Lila.
    Vladimír hört ihre sonderbare Liebe, als er näher kommt. Er wartet, bis das Paar einen Schritt zur Seite tritt.
    Bald ist sein Weg frei. Er versucht, das Schränkchen aufzumachen. Es ist abgeschlossen. Er holt den Schraubenzieher aus der Tasche. Hebelt mit ihm die Tür aus. Aus dem grünen Blech wächst ein Wald von Sicherungsschaltern. Der Stromzähler dreht sich wie wild. Weiße Sicherungsbäuche starren ihn an. Von einer dicken Staubschicht bedeckt. Vladimír wischt sie ab.
    Die Musik schreit immer noch. Überall. Um ihn herum. In ihm drin.
    Er stellt sich breitbeinig auf und versetzt dem Kasten den ersten Hieb mit der Rohrzange.
    Dann den zweiten.
    Und den dritten.
    »Sonst alles klar?«, sagt der junge Mann mit den lila Fingernägeln.
    Vladimír nimmt ihn nicht wahr. Niemanden. Nichts. Am allerwenigsten sich selbst. Es gibt nur noch die Rohrzange in seiner Hand. Als wäre sie ein Körperteil von ihm, sein verlängertes Ich. Er drischt auf den Sicherungskasten ein und denkt an seine Frau, mit der er wieder zusammenkommen will. Für die er das tut. Das Schicksal der anderen ist ihm mittlerweile egal. Vladimír schlägt sich seinen Weg frei, hinter die Blechplatte mit den Sicherungen bis zu den Kabeln, die in den Innereien des Hauses verschwinden. Er drischt auf die Kabel ein. Mit voller Kraft. Er will noch weiter. Am liebsten würde er die Kabel aus dem Körper des Hauses herausziehen. Aus dem Körper der Stadt entfernen. Er will Stille. Eine endgültige, dauerhafte Stille.
    Und dann passiert es.
    Zuerst geht das Licht aus.
    In der nächsten Sekunde verstummt die Musik.
    Auch jene Musik, die in seinem Herzen spielte. Vladimír fällt auf den Boden. Krümmt sich zusammen. Seine Arme werden vom Krampf geschüttelt. Vladimír windet sich in Krämpfen. Alles um ihn herum brennt.

LICHTBLITZ
    W ayne will aufs Podium hinauf, aber jemand zieht ihn herunter. Sie raufen sich. Der Typ haut ihm eine rein. Wayne schlägt zurück.
    Die Band setzt zum neuen Lied an, Schlagzeug und Bassgitarre legen los. Die Gitarre schließt sich ihnen an. Die Sängerin stellt sich ans Mikro und will anfangen zu singen. Vermutlich bemerkt ihn keiner. Den kleinen Lichtblitz. Der die Lippen der Sängerin und das Mikro miteinander verbindet. Als knipste man mit dem Feuerzeug und die Flamme käme nicht. Das ist alles.
    Die Frau wankt, sieht ganz starr aus. In dem Moment fällt im Saal der Strom aus. Ein paar Sekunden später springt schon die Notbeleuchtung an. Gelbes Dämmerlicht. Ein oder zwei Sekunden ist es vollkommen still. Dann fangen die Leute an zu schreien. Sie leuchten mit ihren Handys. Hana holt ihres auch hervor. Sie wendet sich zum Ausgang. Drängelt nach draußen.
    Sie hat Angst. Sie denkt an Milena.

INEINANDER VERKEILT
    F uck off Bush!
    Fuck off USA !
    Kill the Barbie!
    Fucking cocksucker!
    Er hätte ihn nicht anrempeln sollen. Sich nicht aufs Podium stürzen dürfen. Vanda anschreien. Dann hätte Petr ihn nicht runterziehen und ihm gleich eine pfeffern müssen. Aber was soll’s. Er hat es gemacht. Mit der Faust aufs Kinn.
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