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Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Titel: Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu
Autoren: Jaroslav Rudis
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Sie muss später unbedingt herauskriegen, was für ein Mittel man ihr gegeben hat. Der Krankenwagen fährt ganz schnell, Vanda hört aber nur Stille. Das findet sie beruhigend. Zum ersten Mal in ihrem Leben. Genau das würde sie bei ihrer Beerdigung spielen lassen. Stille.

SPRINGSTEEN
    I n seinen Ohren dröhnt es. Ganz furchtbar. Er bräuchte Tabletten. Oder was zum Trinken. Falls er sich nicht gleich die Birne wegpusten sollte.
    Die Bullen haben ihm alles abgenommen. Seine Geldbörse. Schlüssel. Handy.
    Er sitzt hinter dem Gitter, das den Rücksitz vom Rest des Wagens trennt. Sein Hemd ist zerfetzt und er spürt, wie Blut sein Gesicht hinunterläuft. Die Handschellen sind kalt. Das Auto fährt durch eine dunkle Straße. Ohne Sirene.
    »Ich will meinen Anwalt sprechen.«
    »Du bekommst einen Kaffee und eine Decke. Du schläfst heute bei uns, junger Mann«, sagt der ältere Bulle.
    »So was hat’s nicht mal im Krieg gegeben. Auch nicht, als die Russen einmarschiert sind. Die ganze Stadt ohne Strom«, sagt der Jüngere.
    Wayne schließt die Augen und versucht, an nichts zu denken. Könnte er bloß einschlafen und irgendwo anders aufwachen. Irgendwo in der Stille mit der Kleinen an seiner Seite. Ohne dieses Rauschen in den Ohren, das an allem Schuld hat.
    Vorne im Wagen hört man Bruce Springsteen spielen. Sein Handy.
    »Ich muss ran.«
    »Musst du nicht.«
    »Was für ’ne Nummer ist das?«
    »Ich hab schon gesagt, geht nicht.«
    »Please. Bitte. Es ist total wichtig.«
    Die Bullen tauschen Blicke.
    »Ho – me«, buchstabiert der Jüngere vom Display.
    »Ich muss da ran! Please …«
    Der Bulle wirft das Handy ins Handschuhfach. Bald hört es auf zu klingeln.
    »Springsteen. Unter den Kommunisten war das Lied verboten«, sagt der Ältere.
    »Ganz schön heftig, so ’ne Dunkelheit. Und die Stille. Ich krieg Gänsehaut davon, echt«, fügt der Jüngere hinzu.

ZURÜCK ZUM ANFANG
    D ie Stille. In der er sich selbst hören kann. Die Stadt. Das Land. Den Planeten. Das ganze Universum besteht aus Stille. Vladimír hört, wie er selbst zur Stille wird.
    Sie nimmt seine Hand und zieht ihn sanft hoch. Er steht auf. Sie führt ihn nach oben, zu sich. Sie duftet nach Rosen und Salz. Er hört das Meer kommen.
    Sie stehen auf der Straße. Auf einer leeren Straße. Einer Straße ohne Menschen, ohne Autos, ohne Bäume, es gibt keine Verkehrszeichen, keine Werbung, keine Telefonzellen, keine Container oder Geschäfte. Nichts als leere schwarze Häuser. Weder Tag noch Nacht, weder kalt noch warm, Windstille. Der Himmel ist golden und Tropfen von Stille fallen von ihm ab.
    Sie gehen die lange Straße hinauf. Das Wasser reicht ihnen bis zu den Knöcheln, aber Vladimír weiß, dass dieser Regen nie aufhören wird. Er wäscht alles rein und spült es weg. Ins Meer. In die Stille, in der das aufhört, was in ihr seinen Anfang hatte.
    Wasser fließt durch die Straße. Es ist nicht dunkelbraun, sondern gelb. Bald wird es oben mit dem Himmel verschmelzen. Immer mehr Salzwasser. Die Stadt sinkt auf den Meeresgrund, die Straßen verschwinden unter der Oberfläche. Keiner wird sie finden. Keiner wird nach ihnen suchen.
    Sie gehen Hand in Hand. Sie redet auf ihn ein. Er hört alles und er hört nichts. Durch die Stille redet sie unhörbar auf ihn ein.

HOCH ÜBER PRAG
    S ie gehen Seite an Seite. Die Straßen ertrinken in Dunkelheit. Ganz Prag ist dunkel. Aus seiner Nase tropft Blut. Sie reicht ihm ein Papiertaschentuch nach dem anderen. Sie gehen zum Fluss hinunter, dann über die Brücke. Langsam steigen sie auf die Letná-Höhe hinauf.
    Malmö läuft vor ihnen.
    »Wie heißt du?«
    »Und du?«
    »Ich hab zuerst gefragt.«
    »Petr.«
    »Hana.«
    »Was machst du sonst so, wenn du dich nicht prügelst?«
    »Ich hab mich nicht geprügelt. Er war auf ’ne Schlägerei aus. Im Moment mache ich nichts, weil ich nichts machen will. Und was machst du, wenn du nicht gerade vermöbelte Typen aufliest?«
    »Auch nichts. Bin grad auf der Suche.«
    »Wonach?«
    »Nach was anderem.«
    Sie denkt an Wayne. Es ist vorbei. Sie hat ihn von den Bullen mitnehmen lassen. Ohne was dagegen zu unternehmen. Vielleicht hat sie die Entscheidung anderen überlassen wollen. Also haben die Bullen für sie entschieden. Jetzt ist sie mit diesem da hier. Vielleicht hat der ihr mehr leidgetan. Keine Ahnung.
    Sie sitzen auf der Letná auf einer Parkbank. Sie reicht ihm ein neues Taschentuch. Sie sehen auf die Stadt herunter.
    Morgen ruft sie vielleicht bei der Polizei an und
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