Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Titel: Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu
Autoren: Jaroslav Rudis
Vom Netzwerk:
Treppe stehen und warten auf das Lichtzeichen. Die Treppe führt auf ein großes schwarzes Podium. Neben ihnen rauschen Lautsprecher mit leuchtend roten Dioden. Mikros. Die Leute im Saal schwatzen. Vanda ist ganz ruhig.
    Sie haben sich vorhin alle drei in die Arme geschlossen. Harry hat Vanda ins Ohr geflüstert: »Ich liebe dich.«
    Vielleicht hätte sie es ihm auch sagen sollen. Ihm verzeihen, diesem Sack, seine nackten Arschbacken vergessen und seinen Schwanz, der in der blöden Kuh im grünen Kleid steckte. Sie kann es aber nicht. Vielleicht später. Oder auch nie.
    »Also, bau keinen Mist, Mann, ja?«
    Sie treten ins Scheinwerferlicht. Wie die Stars. Fast. Harry stolpert über ein Kabel. Vanda lacht darüber. Sie kommt als Letzte. Ein paar Leute klatschen. Sie sieht nur die ersten Reihen. Das Licht brennt ihr in den Augen. Sie versucht, ihre Freunde vor dem Podium auszumachen. Sie hofft, dass sie alle ganz nah an der Bühne stehen, so nah wie möglich, damit auch sie so nah wie möglich bei ihnen sein kann. Sie sieht aber nur Carlos. Er lacht und seine schwarzen Zähne glänzen.
    Sie stellt sich ans Mikro. Es ist ziemlich hoch. Egal, sie pfeift darauf. Stellt sich auf die Zehenspitzen. Reckt sich, so weit sie kann. Sie will spielen. Sie will schreien. Die Stille aufschlitzen.
    »Wir sind Kill the Barbie …«, ruft sie.

HIER ODER DORT
    A uf einmal spürt er es. Es weckt ihn auf. Leichte Vibrationen, die die Wand hochkriechen. Und dann hört er es schon. Gitarre, Bass, Schlagzeug, Gesang.
    Unten im Haus befindet sich ein Musikclub. Der nächtliche Lärm wurde sonst von Vladimírs Gerät abgefangen, aber nun ist es ausgeschaltet. Und unten fängt ein Konzert an.
    Als seine Frau im Sterben lag, hat er sich häufig bei den Clubbesitzern über den Lärm beschwert. Hat immer wieder die Polizei angerufen. Beschwerdebriefe geschrieben. Ließ in der Wohnung die Lautstärke messen. Die Dezibelwerte verstießen nicht gegen die Norm, hieß es, aber er glaubte den Beamten nicht. Sie waren ohnehin nur zweimal vorbeigekommen, das dritte Mal haben sie ihm Ohrstöpsel und Schlafmittel empfohlen.
    Er hört den Lärm aus dem Club ein Stockwerk nach dem anderen hinaufschleichen.
    Er wollte ruhig bleiben, er wollte kapitulieren und aufgeben, aber auf einmal macht ihn der Gedanke an Resignation wütend. Er lässt sich nicht in die Ecke drängen. Er wird es allen zeigen. Er kann es noch.
    Lärm mit Gegenlärm zu bekämpfen ist nur die halbe Lösung. Eine Ersatzlösung. Denn es löst das Hauptproblem nicht. Vladimír wird bewusst, dass seine Überlegungen stimmten. Er will seine Frau zurückbekommen. Er weiß, dass sie nur dann zurückkommt, wenn er nicht aufhört zu kämpfen, wenn er nicht aufgibt. Er muss in den Kampf ziehen. Sich darauf einlassen. Ihretwegen. Aber auch seinetwegen.
    Auf einmal fühlt er sich unglaublich stark. Er weiß, was er zu tun hat. Er öffnet seinen Werkzeugkasten und holt einen Schraubenzieher heraus. Einen Hammer. Eine Rohrzange. Die er unter seinem Mantel versteckt.
    Er öffnet die Wohnungstür. Im Treppenhaus hört man den Lärm noch mehr. Er folgt ihm. Er wird ihn aus der Welt schaffen. Ein für alle Mal. Eine Treppenstufe nach der anderen. Er geht hinunter. Denkt an seine Frau. Sie ist bestimmt froh, dass er nicht aufgegeben hat, dass er sich nicht umgebracht hat. Er denkt an seine Frau, mit der er zusammen sein will. Für immer.

VEREINBARTES ZEICHEN
    P etr steckt sich eine Zigarette an. Grüßt ein paar Bekannte. Eine aus seiner alten Klasse. Dana. Oder hieß sie Jana? Er hat das Gefühl, mal mit ihr rumgeknutscht zu haben. Ja, natürlich, bei der Abifeier.
    Er lehnt sich gegen die Absperrung beim Mischpult. Der Tontechniker mit riesigen Kopfhörern fährt die Hebel hoch und runter. Auf dem Podium blinkt eine Taschenlampe. Ein Zeichen.
    Als Erster kommt der Bassgitarrist. Dann der Schlagzeuger, der über ein Kabel stolpert. Zum Schluss Vanda. Sie hat eine eng anliegende glänzende Hose an. Auf dem hohen Podium sieht sie sehr klein aus. Und einsam.
    »Wir sind Kill the Barbie …«
    Der Name kommt ihm auf einmal ganz toll vor. Voll punkig. Genauso wie ihre Tätowierung. Er würde das nicht schaffen, für den Rest seines Lebens eins zu werden mit einer Aufschrift, einem Markenzeichen oder einem Bild. Das muss er Vanda unbedingt nach dem Konzert sagen. Er hat ihr überhaupt viel zu erzählen.
    Petr wirft den leeren Bierbecher auf den Boden. Er steckt sich eine neue Zigarette an und schlängelt sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher