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Die Sternseherin

Titel: Die Sternseherin
Autoren: Jeanine Krock
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Rührei mit Speck und Würstchen zuzubereiten. Man kann es auch übertreiben! War das ihr Magen, der diese Worte geknurrt hatte? Jedenfalls brauchte sie nach einem solchen Frühstück unbedingt frische Luft und Bewegung, und so machte sie sich auf, ihre neue Heimat zu erkunden.
    Das Wetter meinte es gut, und so früh waren mehr Straßenfeger mit ihren kleinen Wagen und Lieferanten unterwegs als Touristen. Kurz überlegte sie, hinauf zum Schloss zu gehen, fand dann aber, dass ihr die trutzige und – zumindest von außen betrachtet – architektonisch nicht besonders überzeugende Burg bestimmt nicht davonlaufen würde. Schließlich thronte sie schon seit vielen Hundert Jahren über der Stadt. Also wandte sie sich nach links, schlenderte die Straße hinab, sah hier und da einmal in die Schaufenster und entdeckte dabei sogar einen wunderbaren Schal, den sie sich später kaufen wollte. Wie befürchtet, hatte der Buchladen nicht geöffnet. Sie nahm sich etwas Zeit, um die Inschrift neben der Tür zu betrachten. Verstehen konnte sie die eingeschnitzten Worte zwar nicht, doch als sie ihre Hand darauflegte, fuhr sie wie vom Blitz getroffen zurück: ein Zauber! Jemand hatte den Eingang mit einem magischen Bann belegt, der es zufälligen Besuchern schwer machte, die drei Stufen hinabzugehen und den Laden zu betreten. Mit solchen Dingen wollte sie nichts zu tun haben, und so warf sie einen letzten sehnsüchtigen Blick auf die Bücher in der Auslage, bevor sie weiterspazierte. Manon hatte einen Stadtplan auf dem Küchentisch liegen gelassen, in dem unter anderen die Universität, wichtige städtische Einrichtungen und zu Estelles Entzücken mehrere Bibliotheken eingezeichnet waren. Ihre Begeisterung für Bücher habe manische Züge, hatte ihr Psychologieprofessor in Paris behauptet. Aber das war ihr egal, denn nur zwischen hohen Regalen, vollgestopft mit alten Büchern, den Geruch von Staub und brüchigem Leder in der Nase, konnte sie letztlich überhaupt noch entspannen. Ständig zog sie neue Bände heraus, mit der Ahnung, dass sie sich auf der Suche nach etwas befand, das sie jedoch bisher nicht benennen konnte. Würde sie es erkennen, sobald sie es in den Händen hielt? Estelle war überzeugt davon, dass sich das Objekt ihrer Sehnsucht zum richtigen Zeitpunkt zu erkennen geben würde und wurde nicht müde, jede Buchhandlung, jedes Antiquariat und jede Bibliothek zu durchstreifen. In Paris war sie sogar einmal so weit gegangen, in die privaten Räume eines Mannes einzudringen, von dem man erzählte, er sei ein fanatischer Sammler geheimer Schriften. Natürlich war sie erwischt worden. Dass sie dem Wachmann in seinem Geist das Bild einpflanzen konnte, eine Katze und keine erwachsene Frau habe sich durch das angelehnte Fenster eingeschlichen, erschien ihr heute noch wie ein Wunder. Voller Angst war sie geflohen und hatte einige Tage danach die Zeitungen durchforstet, aber nirgends konnte sie eine Notiz über ihren Einbruch finden, und so war die peinliche Aktion allmählich in Vergessenheit geraten. Erst jetzt, beim Anblick der geheimnisvollen Inschrift erinnerte sie sich wieder daran, denn ähnliche Symbole hatte sie auch an einer Treppe in der besagten Privatbibliothek entdeckt. Bedauerlicherweise war genau in jenem Moment der Wachmann aufgetaucht und sie hatte deshalb kaum Gelegenheit gehabt, sich das Muster für spätere Nachforschungen einzuprägen.
    Schließlich führte ihre Wanderung sie in eine belebte Gegend mit vielen kleinen Läden, die wenig mit dem touristischen Angebot in ihrer Straße gemein hatte. Ein Schaufenster erregte Estelles Aufmerksamkeit und kurz entschlossen öffnete sie die Tür des Ladens.
    »Hallo, was kann ich für dich tun?«, wurde sie begrüßt. »Oh, ich sehe schon!« Der junge Mann, der eine abenteuerliche Frisur hatte, trug einen Rock, was Estelle im ersten Moment irritierte, bis sie sich erinnerte, wo sie war und sich gleich darauf eine Spur zu spießig schalt, weil sie seinen Anblick ziemlich komisch fand. Eigentlich sah er ganz sexy aus, und sie versuchte, einen weiteren Blick auf seine Waden zu erhaschen, während er mit deutlich kummervollem Gesichtsausdruck ihre Frisur betrachtete. Männer sollten wohlgeformte Beine haben, fand sie. Und an diesen hier war nichts auszusetzen.
    »Da muss man was tun! Gut, dass du zu uns gekommen bist«, verkündete das Objekt ihrer Bewunderung schließlich laut über die ohrenbetäubende Musik hinweg und schob seine neue Kundin in einen Ledersessel, dessen
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