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Die Stadt in den Sternen (German Edition)

Die Stadt in den Sternen (German Edition)

Titel: Die Stadt in den Sternen (German Edition)
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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elektronischen Kamera beobachtete ihn. Sie verriet, wo er war.
    Mit einem einzigen Schlag zertrümmerte Peter Reanny das Linsensystem. Die Eingeweide der elektronischen Kamera zuckten funkensprühend aus der Wand.
    Reanny schüttelte seine Hand, hob sie an die Lippen und leckte das Blut ab. Dann bückte er sich und nahm ein zersplittertes Linsenstück vom Boden auf. Er betrachtete es von allen Seiten und warf es wieder weg. Seine Fäuste waren als Waffe besser geeignet. Er riß ein Stück Draht aus der Wand und schlang es um seine Hüften. Augenblicklich fühlte er sich in seinem weichen Umhang nicht mehr so albern wie vorher. Er grinste zufrieden und ging weiter. Er spürte, daß er sich langsam an das leichte Gehen gewöhnte. Nur das Atmen machte ihm noch Schwierigkeiten. Er mußte sich zwingen, mit jedem Atemzug viel mehr Luft zu holen als auf Semisopochnoi.
    Der tunnelartige Gang öffnete sich plötzlich. Er endete an einem winzigen Balkon mit einem halbhohen Geländer. Leiterartige Treppen aus Kunststoff führten an allen Seiten nach unten. Erschrocken blieb Peter Reanny stehen. Er öffnete den Mund und blickte überwältigt auf die gigantischen Anlagen. Vor ihm erstreckte sich eine gewaltige Maschinenhalle. Der Raum war kuppelförmig und so langgestreckt, daß Reanny keinen Abschluß sehen konnte. Bläulicher Dunst vibrierte am Ende seines Blickfeldes.
    Mit einem Aufstöhnen klammerte sich Reanny an das flache Geländer der Empore. Seine Knie wurden weich. Er dachte an die komplizierten Geräte seiner Funkstation. Fast schämte er sich darüber, denn das hier war viel verwirrender.
    Nein, das war keine Funkanlage, das konnte nur ein Kraftwerk sein. Eine mächtige, summende, vollautomatische Station, die eine ganze Metropole versorgen konnte. Die Energie, die hier erzeugt wurde, ging über Peter Reannys Vorstellungsvermögen. Aber er träumte nicht. Die Maschinen waren so real wie er selbst. Eine Erklärung für das Ganze mußte er vorläufig zurückstellen. Es wäre jedoch unsinnig gewesen, die Existenz der Fremden und ihrer Maschinen zu leugnen.
    Reanny versuchte, sich mit dem Unfaßbaren abzufinden. Noch ahnte er nichts von den Zusammenhängen. Er glaubte, daß er in einer der großen Städte Amerikas war. Aber es gab keine Städte mehr. Der Schwarze Krieg hatte die Erde verwüstet. Wie ein Taifun war er über Kontinente und Ozeane gezogen. Er hatte die Erde in die Barbarei zurückgeworfen. Nach der Epoche der Raumschiffe war für die wenigen Überlebenden eine neue Steinzeit angebrochen. Doch die Erinnerung an die einstmals blühende Technik lebte in Männern wie Peter Reanny weiter. Er wußte, was seine Vorfahren einmal geschaffen hatten, obwohl er selbst nicht in der Lage war, einen einfachen Elektromotor zu bauen.
    Das Meer von winzigen Lichtpunkten tief unten faszinierte ihn. Wie ein Verdurstender saugte er die neuen Eindrücke in sich auf. Mit einem Bruchteil dieser Technik hätte er aus Semisopochnoi eine blühende Oase machen können. Zum erstenmal in seinem Leben begann er zu träumen. Er lächelte, als er sich ein blühendes, sonnenüberflutetes Semisopochnoi vorstellte. Vor seinem inneren Auge sah er Kraftwerke, die die Hitze des Vulkans in Licht und Energie umwandelten. Er sah feste Ställe, automatische Futteranlagen und einen kleinen Verladehafen am Strand.
    Der Traum des Inselfarmers zerriß ebenso schnell, wie er aufgetaucht war. Für Semisopochnoi gab es keine Sonne. Die schweren, dunklen Wölken waren zu dicht. Ruckartig holte Peter Reanny Luft. Er klammerte seine Hände um das Geländer der Balustrade, bis die Fingerknöchel weiß hervortraten.
    Er spürte einen Lufthauch im Nacken und wirbelte herum. Das Mädchen wirkte wie eine Fata Morgana. Sie stand nur zwei Schritte hinter ihm und lächelte. Ihr helles, weizengelbes Haar war leicht gewellt und glänzte. Es reichte bis auf ihre zarten Schultern herab. Die pfirsichblasse Haut ihres Gesichts schimmerte so durchsichtig wie die einzige Porzellantasse, die es im Blockhaus auf Semisopochnoi gab. Sie war ebenso groß wie er, ein überschlankes, lächelndes Mädchen. Dennoch erschien sie dem Inselfarmer feingliedriger und zerbrechlicher als alles, was er bisher gesehen hatte. Sie öffnete ihre vollen, hellroten Lippen, während ihre strahlenden Augen ihn unverwandt anblickten.
    Reanny zitterte kaum merklich. Er war erregt, wie seit Jahren nicht mehr. Aber es war keine Angst ...
    »Semi-sopoch-noi?« fragte das Mädchen und hob ihre leeren
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