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Die Stadt in den Sternen (German Edition)

Die Stadt in den Sternen (German Edition)

Titel: Die Stadt in den Sternen (German Edition)
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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er, »und alles nur, weil dieser verdammte Krieg ...«
    »Hör auf«, sagte Reanny, »es hat keinen Zweck, jetzt noch etwas ändern zu wollen. Wir müssen die Dinge nehmen, wie sie sind. Immerhin geht es uns schon wesentlich besser als unseren Eltern – auch wenn manchmal die Tiere intelligenter sind als wir selbst!«
    Ein Klopfen an der Tür ließ ihn verstummen. Er schwang herum.
    »Ja?« rief er mit kaum verborgenem Mißtrauen. Langsam öffnete sich die Tür. Sie drehte sich in den Angeln und schlug gegen die Wand. Die Männer waren schlagartig verstummt. Wilson deckte alle seine Trümpfe auf, doch niemand hatte jetzt noch Interesse an seinen Karten. Gebannt starrten die Männer auf die Tür.
    Reanny machte einen Schritt nach vorn. Er lächelte krampfhaft. »Come in!« rief er heiser. Er wußte genau, daß die Signaldrähte am Strand keinen Fremden gemeldet hatten. Die Insel Semisopochnoi hatte schon seinem Vater gehört, und bis nach Amchitka waren es mehr als fünfzig Meilen Wasser – kalt, wie das Wasser im Beringmeer nur sein konnte.
    Langsam und mit unheimlicher Präzision schloß sich die Tür wieder. Mit einem leichten Klicken fiel sie ins Schloß. Für einen Moment starrten die Männer auf das Phänomen, dann stürzten sie alle gleichzeitig zur Tür. Einige stolperten und hielten die Nachfolgenden auf. Alle versuchten, mit roher Gewalt ins Freie zu kommen. Murray hatte einen Kienspan ergriffen. Sie drängten sich durch die Tür und versuchten, mit ihren Blicken die Dunkelheit zu durchdringen.
    Reanny stellte sich vor seine Männer.
    »Achtung, alle mal herhören! Wilson und ihr drei, ihr sucht die Ställe ab, die anderen gehen um die Farm herum. Wer etwas findet, gibt sofort Alarm. Murray, du kümmerst dich um den Hoovercraft. Das ist im Augenblick unsere einzige Verbindung zu den Nachbarinseln. Und noch eins, Männer: Nicht nervös werden, sonst legen wir uns gegenseitig um ...!«
    Die Männer bildeten eine Kette, deren Ende mit Fackeln ausgerüstet war. Laut rufend gingen sie um die Ställe herum. Sie stampften durch den tiefen, schmutzigen Schnee und bemühten sich, ihre eigene Angst zu überschreien.
    Reanny blieb allein zurück. Nachdenklich starrte er in die Nacht. Vor einer Woche hatten sie die Verbindung mit Butlers Home verloren. Reanny hatte die letzten drei Überlebenden mit einem Hoovercraft nach Semisopochnoi geholt. Butlers Home war fünfhundert Meilen entfernt gewesen, und jetzt gab es in der Reichweite ihres einzigen Verkehrsmittels keine menschlichen Lebewesen mehr.
    Reanny wischte sich ein paar Eiskristalle aus seinem Bart. Von den Bergen in der Mitte der Insel kam plötzlich ein heißer, staubiger Wind. Instinktiv vermutete Reanny einen neuen Vulkanausbruch. Er blickte zum hellschimmernden Kegel hinauf, doch der Berg blieb ruhig. Ein feines Flimmern, ein paar Dünen, dann wurde es wieder kalt. Peter Reanny zog die Fellmütze über seine Ohren. Er drehte sich um und stampfte zum Blockhaus zurück. Für einen Augenblick dachte er daran, wie hart und grausam sein Leben war, und doch ging es ihm immer noch etwas besser als seinen Leuten. Die Männer besaßen nichts mehr, was sie ihr eigen nennen konnten. Er jedoch hatte ein Haus, eine Farm und eine Insel.
    Er schlug die schwere Tür hinter sich zu und setzte sich dicht ans Fenster. Mit geröteten Augen starrte er in die Flammen. Er wischte sich mit dem Handrücken über sein hartes, gegerbtes Gesicht. Er war nicht viel älter als dreißig Jahre. Seit dem qualvollen Tod seiner Eltern war er allein für Semisopochnoi verantwortlich. Zusammen mit seinen Männern ging er auf Fischfang, bestellte die kargen Hänge des Vulkankegels und versuchte Vieh zu züchten. In all den Jahren voller Rückschläge hatte er lernen müssen, mit lächerlich geringen Erfolgen zufrieden zu sein.
    Er erinnerte sich noch genau an seinen zwölften Geburtstag. Das war ein Jahr vor dem Tod seines Vaters gewesen. Damals war für eine halbe Stunde die Sonne aus der dichten Wolkendecke hervorgekommen. Sein Vater hatte ihm daraufhin von einer Welt erzählt, die es nicht mehr gab. Von einer Welt mit riesigen Städten, fruchtbaren Feldern und fast neun Milliarden Menschen. Zusammen mit den Kindern hatte Semisopochnoi 34 Einwohner. Manchmal, wenn er viel Zeit hatte, ging Peter Reanny zu einem Gerät, über das sein Vater mit anderen Überlebenden des Schwarzen Krieges gesprochen hatte. Seit mehr als zehn Jahren war die Funkstation stumm. Reanny vermutete, daß es irgendwo
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