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Die Stadt in den Sternen (German Edition)

Die Stadt in den Sternen (German Edition)

Titel: Die Stadt in den Sternen (German Edition)
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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wachhabenden Ärzte.
    Kilian de Fries schlug wild um sich. Er war nicht mehr Herr seiner Sinne. Die Kurven auf dem EEG- und EKG-Gerät zuckten wild bis zum Anschlag aus. Akkurat zeichneten sie die Vorgänge im Körper des jungen Mannes auf, der unaufhaltsam dem Wahnsinn verfiel.
    Drei Ärztinnen stürzten in den Raum. Entsetzt prallten sie zurück. Immer wieder kam es vor, daß Menschen mit der Technik der schwebenden Stadt in Konflikt gerieten. Besonders in der letzten Zeit hatte die Rate schrecklicher Pannen stark zugenommen. Sie nannten es Lemmingitis, weil sie wußten, daß die plötzlichen Amokläufe einzig und allein psychologische Ursachen hatten. Viel zu häufig passierte es, daß LEVITAD-Geborene mit einem einwandfreien Psychogramm versagten. Sie drehten durch und begingen Selbstmord. Erstklassige Techniker verschwanden und wurden erst nach Wochen irgendwo im Innern der schwebenden Stadt aufgefunden.
    Derartige Vorfälle wurden geheimgehalten. Nur Vierzehnmann, das Institut für Sicherheit und öffentliche Ordnung sowie ein paar eingeweihte Ärzte wußten davon. Ein Meteoreinschlag war eine Art Naturkatastrophe für LEVITAD, aber die Lemmingitis war schlimmer – eine schleichende Seuche, die die Seelen der Bewohner von LEVITAD vergiftete.
    Die Ärztinnen stürzten an Jan van Sonar vorbei. Mit fliegender Hast versuchten sie, den Sterbenden zu retten. Ein plötzlicher Blutsturz löste die aufgesprayten Plastikverbände von den Beinstümpfen des Astrobiologen. Kilian de Fries befand sich im Delirium. Sekunden später fiel er in ein nahezu aussichtsloses Koma.
    Eine neue Überlebensmaschine rollte auf quietschenden Gummireifen in den Raum. Sie stieß gegen die Beine von Jan van Sonar. Der Bioklimatologe erwachte aus seiner Starre. Er verzog sein Gesicht und blickte sich um. Sekundenlang starrte er auf die hastig arbeitenden Ärztinnen. Er stellte sich aufrecht hin, schwankte und mußte sich festhalten. Mit seiner gesunden Hand strich er sich über die Augen. Er hatte nur einen Gedanken: weg! Als er die Tür erreichte, wurde es plötzlich still hinter ihm.
    »Exitus«, sagte eine der Ärztinnen. Doch dieses Wort war für Jan van Sonar ohne jede Bedeutung.
    »Schaut auf diese Stadt!« rief Dr. Ragano theatralisch. Er machte eine weitausholende Armbewegung zu den opalisierenden Fenstern seines großen Büros hinüber. »Was wißt ihr schon von den Problemen, die hier täglich zu lösen sind? Sechzigtausend Menschen ohne Hinterland – eingepfercht auf einer künstlichen, isolierten Insel!«
    »Wir sind hier geboren, Dr. Ragano«, sagte Mona de Fries. Sie zog an ihrer Vitaminzigarette und saugte den Rauch in ihre Lungen. Es war das erstemal, daß sie und einer der jungen Ärzte aus der Gruppe der Tafelrunde Dr. Ragano zu Gesicht bekamen.
    »Was heißt das schon«, gab Dr. Ragano zurück und blieb stehen. Er verschränkte seine Arme auf dem Rücken und betrachtete die beiden einzigen Mitglieder der Tafelrunde, die ihm noch zur Verfügung standen. Obwohl er wußte, wie gefährlich die Ansichten der Tafelrunde für die Existenz der schwebenden Stadt gewesen waren, spürte er einen winzigen Hauch von Sympathie in sich. Er ärgerte sich darüber, während er in das offene, enttäuscht wirkende Gesicht des Mädchens starrte.
    »Sie studieren Medizin«, stellte er fest. »Seit sechs Semestern lernen Sie im Levitanium, wie ein kranker, menschlicher Organismus geheilt werden kann. Dabei ist die Behandlung einer Krankheit kaum noch ein Problem. Viel schwieriger ist die Aufrechterhaltung der Gesundheit, die Vorsorge, Mona, das rechtzeitige Erkennen von Krankheitskeimen ...«
    Er beugte sich über sein elektronisches Lesegerät und schaltete es ein. Die ersten Seiten einer Doktorarbeit wurden sichtbar.
    »Während wir versuchten, die künstliche Stadt lebensfähig zu halten, entstand in unserer Mitte das Gift einer romantischen Idee. Jawohl – ich kenne den Traum vom Leben auf der Erde. Während Männer wie ich dafür sorgten, daß Sie alle eine freie, unbeschwerte Ausbildung genießen konnten, hatten Sie nichts Besseres zu tun, als selbstmörderische Experimente anzustellen!«
    »Mit Erfolg«, warf der junge Arzt ein.
    »Erfolg«, höhnte Dr. Ragano und richtete sich auf. Er preßte die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. »Kommen Sie mit«, sagte er dann und ging zu seinem Schreibtisch hinüber. Mona und der junge Arzt standen auf. Sie folgten ihm. Dr. Ragano schaltete ein Videogerät ein.
    »Sie haben Menschen von
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