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Die Stadt der Verlorenen

Die Stadt der Verlorenen

Titel: Die Stadt der Verlorenen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Haifischmenschen hatten die Verfolgung also noch nicht
aufgegeben!
»Sie sind hartnäckig, nicht wahr?«, sagte Tarras lachend.
»Aber leider auch ziemlich dumm. Ein paar von den großen
Fischen da draußen könnten dieses Schiff knacken wie eine
Nussschale, aber das werden sie nicht tun, solange ihr an Bord
seid.«
»So viel zu der Behauptung, dass Menschen Tieren ethisch
überlegen wären«, sagte Mike hart.
In Tarras’ Augen blitzte es wütend auf, doch nur für einen
Moment, dann hatte er seine Selbstbeherrschung
wiedergefunden und lachte. »Ich beginne mich langsam an deinen
Humor zu gewöhnen, mein Junge«, sagte er. »Übertreibe es nur
nicht, sonst komme ich nachher auf die Idee dich bei mir zu
behalten. Vielleicht als Hofnarren. Wo wir doch schon einen ...«
Er lachte erneut, diesmal in Argos’ Richtung. »... König haben.«
Mike sah aus den Augenwinkeln, wie Serena bei diesen Worten
heftig zusammenfuhr. Ihre Augen begannen feucht zu
schimmern. Fast ohne sein Zutun kroch seine Hand zu ihr und
ergriff ihre Finger. »Da!«, rief Chris plötzlich. »Was ist das?« Aller
Aufmerksamkeit wandte sich wieder dem Fenster zu. Die
NAUTILUS hatte offensichtlich den Kurs geändert, denn nun glitt
etwas ins Sichtfeld des Bullauges, das vorher nicht da gewesen
war: Licht! Es war ein mattes, dunkelgrün schimmerndes Licht,
das in unterschiedlich großen Flecken direkt aus dem
Meeresgrund unter ihnen zu dringen schien. An manchen Stellen
waren es nur winzige, stecknadelkopfgroße Punkte, andernorts
wieder große Bereiche, an denen der gesamte Meeresboden wie
unter einem unheimlichen inneren Feuer zu glühen schien und
je weiter sich die NAUTILUS dem Phänomen näherte, desto
klarer erkannte Mike seine Form. Es war eine Kuppel.
Ihre Größe war nicht zu schätzen, denn er wusste ja nicht, wie
weit sie davon entfernt waren, aber sie musste ungeheuer groß
sein; gigantisch genug, um eine ganze Stadt unter sich zu
verbergen. Der allergrößte Teil der Oberfläche war verkrustet
und mit wuchernden Tiefseegewächsen bedeckt, die auch das
Licht erstickten, aber der Rest reichte allemal aus, um Mike erkennen zu lassen, wie riesig diese unterseeische Anlage war. Selbst
die NAUTILUS wirkte wie ein Zwerg dagegen.
Hier und da erhoben sich weitere, zum Teil geisterhaft
beleuchtete Umrisse aus der Kuppel. Türmchen, Aufund
Anbauten, die zwischen den Korallengewächsen und Pflanzen
emporragten wie die Zinnen einer fantastischen Burg.
»Unglaublich«, flüsterte Juan. »Was ist das?« Tarras lächelte
nur, aber Serena sagte tonlos: »Lemura.«
Und Mike fand sich unversehens in der Wirklichkeit wieder.
Er war nicht mehr allein. Statt in ein einzelnes gelb glühendes
Auge blickte er nun in ein Paar blutunterlaufene Augen, die ihn
über eine zur Größe einer Kartoffel angeschwollene Nase
hinweg anstarrten. Singh, Ben, Trautman, Argos und die anderen
waren verschwunden, ebenso wie der Strand und die Palmen,
und er war wieder in dem kleinen Verschlag in der unteren
Ebene Lemuras, in dem man ihn angekettet hatte.
Im allerersten Moment wusste er allerdings überhaupt nicht,
wo er sich befand. Hinter seiner Stirn jagten sich die Gedanken,
ohne irgendeinen Sinn zu ergeben. Bilder, Namen,
Erinnerungen und Eindrücke purzelten wild durcheinander und
alles schien sich immer schneller und schneller im Kreis zu drehen, bis ihm fast schwindelig davon wurde.
»Singh«, murmelte er. »Wo ist Singh? Und Serena?«
»Singh? Serena? Was redest du da für einen Unsinn, Bursche?«
Der Aufseher versetzte ihm einen derben Stoß in die Rippen
und wandte sich in verändertem Ton an jemanden, den Mike
nicht sehen konnte: »Seht Ihr, Herr – wie ich es Euch gesagt
habe! Er redet wirres Zeug. Anscheinend hat die schwere Arbeit
in der Korallengrube seinen Geist verwirrt. Ich sage ja immer,
dass man keine Kinder hierher schicken soll! Das hier ist
Arbeit für Männer!«
»Damit hast du wahrscheinlich sogar Recht«, sagte eine
Stimme irgendwo im Halbdunkel hinter ihm. Dann trat eine sehr
große, breitschultrige Gestalt neben ihn.
Mike erschrak bis ins Mark, als er die Kleidung des Mannes
erblickte. Der Fremde trug kniehohe Stiefel, einen mit Metall
verstärkten Lederrock und einen kupfernen Brustharnisch und
an seiner Seite hing ein fast armlanges Schwert. Der wuchtige
Helm, der eigentlich zu seiner Uniform gehörte, fehlte zwar,
aber Mike wusste natürlich trotzdem, dass er einem Krieger
gegenüberstand. Sofort bekam er es
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