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Die Stadt der Verlorenen

Die Stadt der Verlorenen

Titel: Die Stadt der Verlorenen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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bin bald wieder zurück.«
Er gab Mike gar keine Gelegenheit zu antworten, sondern fuhr
auf dem Absatz herum und verschwand mit schnellen Schritten
in der Richtung, aus der sie gekommen waren. Mike fragte sich,
ob er vielleicht etwas vergessen hatte. Aber er konnte sich gar
nicht erinnern, dass er irgendetwas bei sich gehabt hätte, als er
ins Haus gekommen war.
Hinter ihm raschelte etwas. Mike fuhr erschrocken
herum
und blickte in ein schwarzes, einäugiges Gesicht, das ihn aus
dem Unterholz heraus anstarrte.
Er hat in der Tat etwas vergessen, wisperte die Stimme des
Felltiers in seinem Kopf. Es gibt da noch etwas, was er dem
Wächter geben muss. Es ist ungefähr fünfzig Zentimeter lang und
aus Stahl.
Es dauerte einen Moment, bis Mike wirklich begriff, was ihm
das Felltier damit sagen wollte. »Du meinst, er will ihn ...
töten?«
Du begreifst aber schnell, sagte das Felltier spöttisch.
»Aber warum?«
Damit er auch wirklich Wort hält und niemandem sagt, dass er
hier war und dich mitgenommen hat, antwortete das Felltier.
Mike schauderte. Natürlich war ihm klar gewesen, dass der
Aufseher kein Stillschweigen wahren würde
– aber das war
doch kein Grund, einen Menschen umzubringen!
Hier schon, antwortete das Felltier, das offensichtlich wieder
seine Gedanken gelesen hatte. Ein Menschenleben ist nicht viel
wert. Hier jedenfalls nicht.
»Aber ... aber sie werden den toten Wächter finden!«,
murmelte Mike. »Und wenn niemand weiß, dass der Krieger
mich mitgenommen hat ...« Ein neuer, eisiger
Schrecken
durchfuhr ihn. »... dann werden sie glauben, ich hätte ihn
getötet und wäre dann geflohen.«
Stimmt, antwortete das Felltier spöttisch. Aber glaube mir, das
ist im Moment noch das kleinste Problem!
»Was meinst du damit?«, fragte Mike.
Die Tatsache, dass du diese Frage stellst, beweist schon, dass es
vollkommen sinnlos wäre, sie dir zu beantworten, sagte das
Felltier. Junge, Junge, da werde ich noch eine ganze Menge zu
tun haben, um deinen kümmerlichen Denkapparat wieder
umzukrempeln.
»Würde es dir etwas ausmachen, nicht andauernd in
Rätseln
zu sprechen?«, fragte Mike ärgerlich.
Das tue ich doch, antwortete das Felltier. Mike war sicher, ein
Grinsen auf seinem Gesicht zu sehen. Ich komme wieder,
sobald die Luft rein ist.
Damit verschwand das Tier. Mike blickte noch eine Weile
verwirrt in den Wald und versuchte vergeblich seinen Worten
irgendeinen Sinn abzugewinnen. Alles war so ... merkwürdig.
Und es machte ihm immer mehr Angst.
Nach nicht allzu langer Zeit kam der Krieger zurück.
Er
sagte kein Wort und wirkte sogar entspannt, als wäre er nur
einmal kurz zurückgegangen, weil er vergessen hatte sich zu
verabschieden. Aber das Schwert, das er an seiner Seite trug,
war blutig.
    Sie marschierten bis zum Ende der Schlafenszeit,
dann
wich der Krieger vom Weg ab und sie drangen ein gehöriges
Stück weit in den Wald ein. Mike war nicht wohl dabei: Der
Wald war gefährlich. Man konnte sich verirren und es gab
gefährliche Tiere. Ihm fiel aber auch auf, dass der Krieger
große Sorgfalt darauf verwandte, keinerlei Spuren zu
hinterlassen.
    Gute fünfhundert Schritt abseits des Waldes fanden
sie
eine kleine Lichtung, auf der sie sich niederlegten und einige
Stunden schliefen. Mike hatte Angst davor einzuschlafen,
denn möglicherweise würden die Träume zurückkommen
und die unheimlichen Bilder.
    Aber er war erschöpft und sein Körper verlangte sein
Recht. Erst lange nach Mittag wachte er wieder auf, ausgeruht
und ohne die Erinnerung an irgendwelche Träume und mit
dem verlockenden Geruch von gebratenem Fleisch in der Nase.
    Als er sich aufrichtete, sah er den Krieger mit untergeschlagenen Beinen neben sich sitzen. Vor ihm brannte
ein flackerndes Feuer, über dem unterschiedlich große
Fleischstücke an einem Stock brieten. Schon der Geruch
ließ Mike das Wasser im Munde zusammenlaufen. Sein
Magen knurrte hörbar.
Das war ihm sehr peinlich, aber der Krieger lächelte nur,
nahm eines der Fleischstücke vom Feuer und reichte es ihm.
    Zögernd griff Mike zu. Das Fleisch war so heiß, dass er
sich Finger und Zunge verbrannte, aber es war das
Köstlichste, was er jemals gegessen hatte. Fleisch war nichts,
was man jeden Tag bekam. Und ein so gutes Stück wie dieses
hatte er noch nie gehabt.
»Schmeckt es?«, fragte der Krieger amüsiert.
     
Mike nickte. »Es ist fantastisch«, sagte Mike mit vollem
    Mund. Bratensaft tropfte an seinem Kinn herab.
»So etwas Gutes habe ich noch nie
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