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Die Stadt der Verlorenen

Die Stadt der Verlorenen

Titel: Die Stadt der Verlorenen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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deinen Leuten viel Glück in eurer neuen
Heimat, Argos. Auch wenn wir uns wahrscheinlich nie wieder
sehen werden.«
»Da wäre ich nicht so sicher«, antwortete Argos. In seinen
Worten war etwas eindeutig Drohendes und vermutlich waren
sie auch ganz genau so gemeint. Mike hielt seinem Blick
noch eine Sekunde lang stand, dann zuckte er mit den
Schultern und wandte sich ohne ein weiteres Wort zum Gehen.
Astaroth und Ben schlossen sich ihm ebenso schweigend an.
Eine halbe Stunde später erreichten sie den Ausgang
der
Eisenminen. Sie waren vollkommen allein. Alle
Bewohner
Lemuras, die sich noch nicht in die riesigen unterirdischen
Höhlen geflüchtet hatten, die ihre neue Heimat werden würden,
waren bereits unten am Ufer der kleinen Seen, die die einzige
Verbindung zwischen Lemura und dem Verbotenen Land
darstellten. Sobald die letzten Lemurer die Mine verlassen hatten,
würden große Sprengladungen die Durchgänge verschließen und
dann gab es kein Zurück mehr.
In den letzten vierundzwanzig Stunden hatte sich Lemura auf
schreckliche Art verändert. In der riesigen Kuppel gähnten nun
Dutzende von Rissen, durch die das Wasser immer schneller
hereinströmte. Die untere Ebene der Stadt hatte sich längst in
einen einzigen riesigen See verwandelt, und was nicht dem
Wasser zum Opfer gefallen war, das hatten die immer heftiger
werdenden Erdbeben zerstört. Selbst wenn die Kuppel nicht
zusammenbrechen würde, so war Lemura schon
jetzt
unbewohnbar geworden. Plötzlich erschien es ihm angeraten,
sich wirklich zu beeilen, um die Stadt und die dort wartende
NAUTILUS zu erreichen. Selbst wenn sie sich beeilten, würden
sie zwei Stunden brauchen, um zum Hafen zu kommen.
Trotzdem unterbrachen sie ihren Marsch auf halbem Wege
noch einmal, um sich mit Singh und Juan zu treffen, die in
Argos’ Kristallwald auf sie warteten. Sie hatten eine Anzahl
großer Kisten und Kartons in dem kleinen Hain verteilt und
diese mit einem Gewirr aus Kabeln und Zündschnüren
verbunden.
»Seid ihr fertig?«, fragte Mike.
»Gerade eben«, antwortete Singh. »Und jetzt nichts
wie
weg!«
Sie stürmten weiter, bis sie eine Entfernung von gut
fünfoder sechshundert Metern zwischen sich und den Kristallwald
gebracht hatten. Singh, der eine kleine Rolle in der Hand hielt
und die Zündschnur davon abwickelte, deutete auf ein Gewirr
mächtiger Felsbrocken, zwischen dem sie rasch Deckung
suchten. Singh duckte sich als Letzter hinter einen Stein, steckte
das Ende der Zündschnur in Brand und atmete dann hörbar
auf.
Während sie der Funken sprühenden Flamme zusahen, die
sich rasch auf den Kristallwald zubewegte, fragte Mike: »Ist auf
der NAUTILUS alles vorbereitet?«
»Wir haben sämtliche Blätter und Samen hinausgebracht, die
sie an Bord geschafft haben«, antwortete Juan. »Und auch die,
die wir noch in der Lagerhalle gefunden haben.«
»Dann wird es in der neuen Heimat der Lemurer keinen
Kristallwald mehr geben«, sagte Mike zufrieden. »Und keine
Magier, die anderen ihren Willen aufzwingen«, fügte Ben hinzu.
»Schade, dass ich sein Gesicht nicht sehen kann, wenn er in
einer Stunde hierher kommt, um Samen für seine verdammten
Kristallbäume zu holen.«
Er lachte und der Laut ging nahtlos in das gewaltige Donnern
über, mit dem die Sprengladungen explodierten, die Singh und
Juan im Verlauf der letzten beiden Stunden im Kristallwald
gelegt hatten. Mike zog hastig den Kopf ein und wartete mit
angehaltenem Atem ab, bis der Boden aufhörte zu zittern und
keine Trümmer mehr auf sie herabregneten. Dann hob er
vorsichtig den Kopf über den Rand ihrer Deckung.
Wo der Kristallwald gewesen war, gähnte nur noch
ein
gewaltiger Krater, der sich bereits mit Wasser zu füllen begann.
Und mit dem Kristallwald war auch zugleich die Quelle von
Argos’ magischer Macht verschwunden. Das neue Lemura würde
anders aussehen und Mike war ziemlich sicher: besser.
»Also los«, sagte er. »Gehen wir. Ich möchte endlich wieder
einmal die Sonne sehen.«
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