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Die Stadt der Verlorenen

Die Stadt der Verlorenen

Titel: Die Stadt der Verlorenen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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das Ufer des
kleinen Sees erreichte, an dem Ben auf ihn wartete.
    »Bist du so weit?«, fragte er. »Wir müssen los. Ich habe keine
Lust, im letzten Moment noch einen Stein auf den Kopf zu
bekommen.«
    Ganz so dramatisch war die Situation noch nicht. Argos’
Männer hatten sowohl den Gang, der hier herunterführte, als
auch die Höhlendecke mit schweren Balken abgestützt, um der
Gefahr eines plötzlichen Einsturzes vorzubeugen. Aber sie
würden eine gute Stunde brauchen, um die NAUTILUS zu
erreichen – und sie hatten unterwegs noch etwas vor.
    Ben reagierte erst nach wenigen Augenblicken auf
Mikes
Worte. Er nickte, drehte sich langsam herum und warf dann
noch einmal einen Blick auf den See, in den er und die anderen
so oft hinabgetaucht waren, um unter Lebensgefahr die
Erzknollen von seinem Grund zu holen.
    Auch jetzt war das türkisfarbene Wasser nicht still.
Ein
fingerdickes, geflochtenes Tau war um einen eisernen Pfahl am
Seeufer geschlungen und führte straff gespannt ins Wasser
hinab. Eine nicht enden wollende Kette von Männern, Frauen
und Kindern tastete sich an diesem Seil entlang und
verschwand ohne zu zögern im Wasser. Auf den Gesichtern der
Menschen war keine Spur von Furcht oder auch nur
Unsicherheit zu erkennen. Die allermeisten von ihnen
wussten
nicht wirklich, wohin sie gingen oder was sie erwartete. Sie
standen noch immer unter Argos’ geistigem Einfluss und im
Moment war das vielleicht gut so. Wahrscheinlich, dachte Mike,
ist es die einzige Möglichkeit, mehr als zwanzigtausend
Menschen innerhalb von weniger als zwei Tagen zu evakuieren.
Hätten all diese Leute gewusst, dass sie ihr gesamtes Hab und
Gut zurücklassen mussten und die Welt, in der sie geboren und
aufgewachsen waren, nie mehr wieder sehen würden, wäre es
wahrscheinlich zu einer Panik gekommen, die Hunderte von
Opfern forderte.
    In dem Wasser vor ihnen bewegte sich ein Schatten und dann
tauchte Astaroth aus der Tiefe des Sees auf, sprang mit einem
Satz an Land und schüttelte sich das Wasser aus dem Fell.
    »Nett, dass du auch schon kommst«, sagte Mike spöttisch.
»Wir wollten gerade ohne dich aufbrechen.«
Reizend, dass ihr gewartet habt, antwortete Astaroth
auf
seine lautlose Art. Vor allem, wenn man bedenkt, dass ich die
ganze Arbeit für euch mache.
Das entsprach nicht unbedingt der Wahrheit, aber
Mike
war es seit Jahren gewohnt, dass Astaroth zum
hemmungslosen
Übertreiben neigte. »Ist auf der anderen Seite alles in
Ordnung?«, fragte er.
Sie sind alle ziemlich durcheinander, antwortete Astaroth. Argos’ Magie verliert dort schnell ihre Wirkung. Ich möchte
nicht in seiner Haut stecken, wenn sie nach und nach wirklich zu
sich kommen.
Wie auf sein Stichwort erschien Argos hinter ihnen.
Der
zukünftige Ex-König der Lemurer musterte Mike, Ben und den
Kater finster, verbiss sich aber jede Bemerkung und sagte nur:
»Es wird Zeit für euch. Wir werden nicht mehr lange in der
Lage sein, die Kuppel zu stabilisieren.«
Er hat es ziemlich eilig, uns loszuwerden, wie? spöttelte
Astaroth. Könnte es vielleicht sein, dass er noch etwas vorhat, von
dem wir nichts wissen sollten?
Damit hat er nur zu Recht, dachte Mike. Aber er hatte zugleich
alle Mühe, ein schadenfrohes Grinsen zu unterdrücken. »Kommt
ihr gut voran?«, fragte er, ohne auf Argos’ Worte einzugehen.
»Es sind fast alle drüben«, antwortete Argos finster.
»Ich
hoffe, die Zeit reicht noch, um genug Werkzeuge und Waffen in
die Höhle zu schaffen.«
»Ihr werdet keine Waffen brauchen«, antwortete
Mike.
»Das Verbotene Land ist groß genug für euch alle. Viel größer als
Lemura. Und es gibt keine gefährlichen Tiere dort.«
»Aber Eingeborene«, antwortete Argos.
»Es sind keine Wilden«, sagte Ben. »Wir haben sie ein paar Mal
getroffen, als wir drüben waren. Sie sind nur vorsichtig. Es sind
Menschen wie ihr, Argos. Die Nachfahren derer, die angeblich
von den Wächtern in die Tiefe gezogen und ertränkt worden
sind. Sie waren niemals eure Feinde, hast du das immer noch
nicht begriffen?«
Argos sagte nichts dazu, aber sein Blick machte klar, dass ihn
Bens Worte nicht wirklich interessierten. Astaroth war immer
noch nicht in der Lage, Argos’ Gedanken zu lesen, aber das war
auch gar nicht notwendig. Mike konnte sich ziemlich konkret
vorstellen, was Argos und die anderen vorhatten.
Sie würden eine ziemlich unangenehme Überraschung
erleben.
»Du hast Recht«, sagte er. »Es wird Zeit. Wir müssen gehen. Ich
wünsche dir und
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