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Die Spur des Drachen

Titel: Die Spur des Drachen
Autoren: Jon Land
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den Russen mit Handschellen an einen Stützbalken gefesselt.
    »Sie sagten, Ihr Name sei Bayan Kamal«, sagte Anatoljewitsch zu Ben, der neben einem der nach vorn weisenden Fenster stehen geblieben war. »War Ihr Vater der verstorbene Jafir Kamal?«
    Ben wirbelte herum und blickte den Russen an. »Woher kennen Sie den Namen meines Vaters?«
    Anatoljewitsch lachte rau – das Lachen eines Kettenrauchers. Sein Blick streifte den mit Waffen beladenen Lastwagen. »Das passt.«
    »Wenn Sie etwas zu sagen haben, sagen Sie es.«
    Anatoljewitsch nahm den Blick vom Laster und zuckte die Achseln. »Wie der Vater, so der Sohn.«
    »Mein Vater war ein Held«, erwiderte Ben, peinlich berührt, dass er sich wie ein Kind anhörte.
    »Das glauben Sie?«, Anatoljewitsch schüttelte den Kopf. »Sie sind so irregeleitet, wie er es war.«
    »Ich habe fast keine Munition mehr!«, rief Sergeant Khaled von der anderen Seite des Lagerhauses, bevor Ben dem Russen antworten konnte.
    »Und Sie, Sohn von Jafir Kamal?«, zog Anatoljewitsch ihn auf. »Haben Sie auch keine Munition mehr?«
    »Ich hebe die letzte Kugel für Sie auf«, drohte Ben, der tatsächlich nur noch einen Ladestreifen hatte.
    »Machen Sie es wie Ihr Vater«, sagte Anatoljewitsch abfällig. »Ergeben Sie sich. Sonst werden Ihre Landsleute Ihnen bei lebendigem Leib die Eier abschneiden.«
    Er lachte wieder und rüttelte mit den Handschellen am Balken. Ben beachtete ihn nicht. Er nutzte die Chance, die ein Abflauen des Schusswechsels ihm bot, um sein letztes Magazin in die Neunmillimeter zu schieben.
    »Das sollten Sie sich lieber mal ansehen, Inspector«, meinte Sergeant Khaled.
    Ben spähte aus dem Fenster. Zwei Mercedes-Limousinen kamen langsam die Straße heruntergefahren, als gäbe es gar keine Schießerei. Die Wagen hielten langsam. Drei der vier Türen des vorderen Mercedes öffneten sich. Ein Trio breitschultriger, gut gekleideter Männer stieg aus. Zwei bezogen vor dem Wagen Position, der dritte hinten, neben der vierten Tür, die nun ebenfalls geöffnet wurde. Ben sah, wie Colonel Nabril al-Asi ausstieg. Die drei breitschultrigen Männer reihten sich hinter dem Chef des gefürchteten palästinensischen PSS ein, des Protective Security Service. Al-Asi knöpfte seine Anzugjacke zu und schlenderte gemächlich zu der Menschenmenge hinüber.
    Die Leute wichen zurück. Diejenigen, die nicht mit Steinen oder Knüppeln bewaffnet waren, sondern mit Gewehren oder Pistolen, senkten ihre Waffen. Ben hörte die Menge durch das zerbrochene Fenster hindurch murmeln. Er wusste, dass sich in Windeseile die Nachricht verbreitet, wer soeben erschienen war.
    Al-Asi sagte kein Wort, machte nicht einmal eine Handbewegung. Er ging einfach weiter, eine Hand lässig in der Tasche seiner Anzugjacke, als wäre nichts geschehen und als hätte kurz zuvor kein heftiger Kampf getobt, der jeden Moment wieder losbrechen konnte.
    Auf halbem Weg zum Lagerhaus bückte sich der Colonel und hob einen Stein auf. Er warf ihn von der Straße. Drei weitere Steine trat er achtlos zur Seite, bevor er das Tor des Lagerhauses erreichte und klopfte.
    »Alles in Ordnung, Inspector. Sie können herauskommen.« Al-Asi hatte der Menge jetzt den Rücken zugekehrt. Argwöhnisch sahen die drei Männer zu, die ihn begleiteten.
    Ben ging zum Tor des Lagerhauses, zog den Bolzen zurück und schob es nach oben.
    »Guten Tag, Colonel«, grüßte Ben.
    »Schön, Sie zu sehen, Inspector«, erwiderte al-Asi. Sein schwarzes Haar mit den grauen Strähnen war säuberlich zurückgekämmt, der Schnurrbart perfekt gestutzt, was ihm das Aussehen des jungen Omar Sharif verlieh. Auch sein Lächeln ähnelte dem des Schauspielers, doch als er sich jetzt der Menge zuwandte, lächelte al-Asi nicht.
    »Geht nach Hause. Alle!«, sagte er in einem Ton, der keinen Zweifel ließ.
    Der Großteil der Menge wich zurück; die meisten drehten sich um und verschwanden, doch einige blieben starrköpfig stehen.
    »Haut ab!«, rief al-Asi, als würden sie sich unerlaubt auf seinem Grund und Boden aufhalten. Auch die Zauderer verschwanden. »So ist es schon besser«, sagte er zu Ben.
    »Woher wussten Sie, dass ich hier bin?«
    »Ich habe es geahnt, als ich die Nachricht von Krawallen in Beit Jala bekam. Ich hatte das Gefühl, dass Sie es sein könnten, noch bevor Ihr Bürgermeister mich anrief und fragte, ob ich helfen könne.«
    »Dann stehe ich wieder mal in Ihrer Schuld.«
    »Diesmal gebührt der Dank dem Bürgermeister.« Al-Asi blickte an Ben vorbei
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