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Die Spiele des Computer-Killers

Die Spiele des Computer-Killers

Titel: Die Spiele des Computer-Killers
Autoren: Denise Danks
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wehte mir ins Gesicht. Es wäre möglich gewesen, uns durch die große, getönte Scheibe zu sehen, doch niemand tat es. Niemand beobachtete uns da oben. Aber eigentlich gab es da kein »wir« und kein »uns«. Da waren nur ich und er, zwei einzelne Stücke in derselben Pastete. Es war eine sehr einsame Geschichte.
    Ich war zur Vorstellung eines neuen Hochleistungscomputers nach New York geflogen, und Dr. David Jones war eine der zahlreichen Nebenveranstaltungen, die das Potential des neuen Systems illustrieren sollten. Sein Fachgebiet? Computergenerierte virtuelle Realität: eine Technologie, die dreidimensionale elektronische Welten erschafft, Computermodelle, in denen man existieren und mit denen man interagieren kann. Computermodelle, die jede beliebige Welt darstellen können; man selbst ist ihr wichtigster Bewohner, aber man braucht nicht allein zu sein. Ich mußte ihn für die Technology Week interviewen und herausfinden, was es mit seiner Firma, der Virtech, auf sich hatte — ein Senkrechtstarter, klein und sexy, hatte Richard gesagt.
    Etwas mehr als eine Stunde lang hatten wir einander gegenübergesessen und erörtert, was ich für relevante Themen hielt. Ich war nicht davon überzeugt, daß das, was ich da zu hören bekam, nicht ein Haufen Hype war; deshalb beschloß ich, die Sache auf einer leichten Note ausklingen zu lassen.
    »Erinnern Sie sich an diese Special-Effect-Katastrophenfilme?« fragte ich.
    »Leider nicht«, antwortete er.
    »Erdbeben? Haben Sie nicht gesehen?«
    »Nein. Ich sehe mir selten Filme an. Ich mache mir lieber selbst welche.«
    »Wirklich? Na, das dürfte Sie interessieren. Man konnte das Beben regelrecht fühlen, während es auf der Leinwand passierte. Virtuelle Realität ist also nichts Neues, sehen Sie.«
    »Nein. Der Unterschied besteht nur darin, daß das, was Sie da hatten, ein im Grunde passives Erlebnis war.«
    »Aber ich habe etwas gefühlt, das an einem Ort stattfand, wo ich nicht war. Eine Illusion. Sie können auf Dinge einwirken und sie bewirken, aber wie wirken sie sich auf Sie aus?«
    Er beugte sich vor und stellte seine leere Kaffeetasse neben meinen sanft sprudelnden Gin-and-Tonic. Er trank nicht bei der Arbeit, und er rauchte nicht, aber der gläserne Aschenbecher auf dem Tisch quoll über von zerbrochenen, unverbrannten Streichhölzern, manche V-förmig geknickt, manche völlig entzwei. Ein frischer Splitter ragte über den Rand heraus. Er nahm ihn und klemmte ein Ende behutsam zwischen die Zähne; langsam kaute er darauf und drehte ihn dabei mit den Fingern. Seine Augen blickten mich so lange an, daß mir unbehaglich wurde. Ich schob den Rocksaum meines weiten Kleides ein bißchen herunter und griff nach meinem Gin-Glas. Dann legte ich den Kopf zurück, um zu trinken, und ich sah ihn durch den Glasboden, wie er auf meinen Hals und auf den tiefen Ausschnitt meines Sommerkleides starrte.
    »Hat es Ihnen gefallen?« fragte er.
    »Der Film?«
    »Das passive Erlebnis.«
    »Das weiß ich nicht mehr. Ich glaube, ich habe geschrien. Es hat Spaß gemacht.«
    »Ein reales Erdbeben macht aber keinen Spaß.«
    »Das weiß ich. Ich hatte mir eine Eintrittskarte gekauft, wenn Sie sich erinnern. Aber gespürt habe ich das Erdbeben trotzdem.«
    »Und angefaßt?«
    »Fühlen ist nicht dasselbe wie Anfassen.«
    »Kann es aber sein«, sagte er.
    Ich schaute über den Rand meines Glases hinweg und war außerstande, es hinzustellen. Ich wollte es leertrinken, aber irgendwie hinderte er mich daran und schaute mir so lange in die Augen, daß ich den Blick abwandte und nach meinen Zigaretten suchte.
    »Fragen Sie das Militär. Wir brauchen nicht alles zu wissen, um etwas zu verstehen; da reicht es, wenn man ein paar Dinge mit Sicherheit weiß.«
    »Zum Beispiel Geräusch und Richtung einer fallenden Bombe?« Ich war erleichtert. Hypothetische Waffentechnik war leichter zu handhaben als intime Gedanken.
    »Ganz recht.«
    »Aber nicht den Geruch oder Geschmack von Feuer.«
    »Nein.«
    »Aber wie können wir ohne den Geruch oder Geschmack von Feuer die Gefahr einer Bombe begreifen?« fragte ich.
    »Instinkt«, sagte er. »Reiner Instinkt.«
    Er lehnte sich in seinem blaßrosa Sessel zurück; seine Hände ruhten lässig auf den Oberschenkeln, seine Beine waren leicht gespreizt, und seine Brillengläser spiegelten gerade genug Licht wider, um seine Augen verschwinden zu lassen. Gleich darauf war der Lichtreflex des Himmels verschwunden und ich sah, daß seine hellblauen Augen mich sehr fest
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