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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
Autoren: Robin Sloan
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haben sie erfahren, dass hier heute irgendwas passiert, und beschlossen, es könnte einen Last-Minute-Flug nach San Francisco wert sein. (Recht hatten sie.) Igor hat sich zu ihnen gesetzt und plaudert ungezwungen mit ihnen auf Japanisch.
    In der ersten Reihe ist ein Laptop aufgebaut, damit Cheryl von der Con-U zusehen kann. Sie ist per Skype zugeschaltet; ihr krauses Haar nimmt den ganzen Bildschirm ein. Ich habe auch Grumble eingeladen, aber er sitzt heute Abend im Flugzeug – auf dem Weg nach Hongkong, sagt er.
    Der Eingang der Buchhandlung verfinstert sich: Edgar Deckle ist eingetroffen, und er hat eine Entourage von New Yorker Schwarzroben mitgebracht. Obwohl sie ihre Roben gar nicht tragen, nicht hier, heben sie sich in ihrem Aufzug dennoch wie seltsame Außenseiter ab: Anzüge, Schlipse, ein dunkelgrauer Rock. Sie strömen zur Tür herein, ein ganzes Dutzend – und dann kommt auch Corvina. Sein Anzug ist grau und glänzt. Er ist nach wie vor ein imposanter Kerl, aber in dieser Umgebung wirkt er irgendwie geschwächt. Ohne all den Prunk und die Felsgesteinkulisse ist er einfach nur ein Alter – seine dunklen Augen blitzen auf und fangen meinen Blick ein. Okay, vielleicht nicht ganz so geschwächt.
    Die Kunden des Pygmalion drehen sich nach den Schwarzroben um und mustern sie erstaunt beim Durchqueren der Buchhandlung. Deckle hat ein mildes Lächeln aufgesetzt. Corvina versprüht brüske Entschlossenheit.
    »Wenn du wirklich die Gerritszoon-Patrizen hast«, sagt er rundheraus, »nehmen wir sie mit.«
    Ich drücke mein Rückgrat durch und hebe leicht das Kinn. Wir sind jetzt nicht mehr im Lesesaal. »Ich habe sie«, sage ich, »aber das ist erst der Anfang. Nehmen Sie Platz.« Herrje. »Bitte.«
    Er lässt seinen missbilligenden Blick über die schwatzende Menge schweifen, dann winkt er seine Schwarzroben zu den Stühlen. Sie setzen sich alle in die letzte Reihe und bilden eine schwarze Klammer hinter der Versammlung. Corvina bleibt stehen und stellt sich hinter sie.
    Ich packe Deckle am Ellbogen, als er an mir vorbeigeht. »Kommt er?«
    »Ich hab ihm Bescheid gesagt«, sagt er und nickt. »Aber er hat es schon gewusst. Beim Ungebrochenen Buchrücken spricht sich alles schnell herum.«
    Kat ist da; sie sitzt vorn, ganz am Rand, und unterhält sich leise mit Mat und Ashley. Sie hat wieder ihren Hahnentritt-Blazer an. Um den Hals trägt sie ein grünes Tuch, und sie hat sich das Haar schneiden lassen, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe; jetzt geht es ihr bis knapp unter die Ohren.
    Wir sind nicht mehr zusammen. Die Trennung wurde zwar nie offiziell ausgesprochen, aber sie ist eine objektive Wahrheit, wie das Atomgewicht von Kohlenstoff oder der Aktienkurs von GOOG . Das hat mich nicht davon abgehalten, sie so lange zu triezen, bis ich ihr das Versprechen abgeluchst hatte, heute zu kommen. Gerade sie muss das sehen.
    Die Leute beginnen auf ihren Sitzen herumzurutschen, und die veganen Haferkekse sind auch fast alle, aber ich muss warten. Lapin beugt sich zu mir vor und fragt: »Gehen Sie nach New York? Vielleicht, um in der Bibliothek zu arbeiten?«
    »Ähm, nein, auf keinen Fall«, sage ich ruhig. »Kein Interesse.«
    Sie runzelt die Stirn und faltet die Hände. »Ich sollte eigent lich gehen, aber ich glaube, ich will gar nicht.« Sie schaut zu mir hoch. Sie wirkt verloren. »Mir fehlt der Laden. Mir fehlt –«
    Ajax Penumbra. Er schlüpft durch den Eingang des Pygmalion wie ein unruhiger Geist, eingepackt in seine bis oben zugeknöpfte Marinejacke, den Kragen hochgeschlagen über dem dünnen grauen Schal. Er schaut sich suchend im Raum um, und als er die Ansammlung in der letzten Reihe sieht, die gesamte Gemeinschaft – komplett mit Schwarzroben –, weiten sich seine Augen.
    Ich renne auf ihn zu. »Mr. Penumbra! Wie schön, dass Sie da sind!«
    Er hat sich halb von mir abgewandt und umfasst mit einer knochigen Hand seinen Hals. Er sieht mich nicht an. Seine Augen sind fest auf den Boden gerichtet. »Mein Junge, es tut mir leid«, sagt er leise. »Ach, ich hätte nicht einfach so verschwinden dürfen. Es war nur …« Er seufzt und flüstert: »Ich habe mich geschämt.«
    »Mr. Penumbra, bitte. Machen Sie sich deswegen keine Gedanken.«
    »Ich war mir so sicher, dass es funktionieren würde«, sagt er, »und dann ist es fehlgeschlagen. Und da warst du, und da waren deine Freunde und all meine Schüler. Was bin ich doch für ein alter Narr.«
    Armer Penumbra. Ich stelle ihn mir vor, wie er in
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