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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
Autoren: Robin Sloan
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irgendeiner Versenkung verschwunden ist und versucht, mit seinen Schuldgefühlen klarzukommen, darüber, dass er Begeisterung in der Gemeinschaft entfachte, die dann auf Googles grünem Rasen das Scheitern miterleben musste. Wie er mit seinem Glauben hadert und sich fragt, was nun werden soll. Er hat alles auf eine Karte gesetzt – alles, was ihm etwas bedeutet hat – und verloren. Aber damit war er nicht allein.
    »Kommen Sie, Mr. Penumbra.« Ich gehe wieder zu meinem Geräteaufbau und winke ihn heran. »Bitte setzen Sie sich. Wir waren alle Narren – bis auf einen. Kommen Sie, sehen Sie selbst.«
    Alles ist bereit. Auf meinem Laptop wartet eine Präsentation. Mir ist klar, dass meine große Enthüllung eigentlich in einem rauchverhangenen Salon stattfinden müsste, wo der Detektiv lediglich kraft seiner Stimme und Kombinationsgabe sein nervöses Publikum in atemloser Spannung hält. Ich jedoch bevorzuge Buchläden und Dias.
    Also schalte ich den Projektor ein und stelle mich daneben, und das weiße Licht sticht mir in die Augen. Ich verschränke die Hände auf dem Rücken, richte mich gerade auf und blinzle in die versammelte Menge. Dann drücke ich die Fernbedienung und beginne:
    Erstes Dia
    Wenn Sie eine Botschaft hinterlassen wollten, die für alle Ewigkeit Gültigkeit haben soll, wie würden Sie es anstellen? Würden Sie sie in Stein meißeln? In Gold ritzen?
    Würden Sie Ihre Botschaft so überzeugend formulieren, dass niemand widerstehen könnte, sie weiterzugeben? Würden Sie sie in eine Religion einbetten, würden Sie versuchen, die Seele der Menschen anzurühren? Würden Sie eine Geheimgesellschaft gründen?
    Oder würden Sie es machen wie Gerritszoon?
    Zweites Dia
    Griffo Gerritszoon wurde als Sohn eines Gerstenbauers Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts in Norddeutschland geboren. Gerritszoon der Ältere war kein reicher Mann, aber aufgrund seines guten Rufs und seiner allseits gerühmten Gottesfurcht konnte er bei einem benachbarten Goldschmied eine Lehrstelle für seinen Sohn ergattern. Das war damals im fünfzehnten Jahrhundert eine große Sache; solange er es nicht vermasselte, würde Gerritszoon der Jüngere mehr oder weniger ausgesorgt haben.
    Er hat es vermasselt.
    Er war ein frommer Knabe, und das Goldschmiedegewerbe ging ihm gegen den Strich. Den lieben langen Tag verbrachte er damit, alten Schmuck einzuschmelzen und neuen daraus zu machen – und er wusste, dass seine eigenen Arbeiten dasselbe Schicksal ereilen würde. Alles, woran er glaubte, sagte ihm: Das hier ist nicht wichtig. Im Land Gottes gibt es kein Gold.
    Also tat er, was man ihm auftrug, und lernte sein Handwerk – das er sehr gut beherrschte –, aber als er sechzehn wurde, sagte er Adieu und verließ den Goldschmied. Er verließ sogar Deutschland. Er begab sich auf eine Pilgerreise.
    Drittes Dia
    Ich weiß das, weil Aldus Manutius es wusste und es aufschrieb. Er schrieb es in seinen eigenen Codex Vitae  – den ich entschlüsselt habe.
    (Japsen im Publikum. Corvina steht immer noch ganz h inten, das Gesicht starr, der Mund eine steil abfallende Grimasse, der dunkle Schnurrbart nach unten gezogen. Andere Gesichter sind ausdruckslos und erwartungsvoll. Ich blicke kurz zu Kat hinüber. Sie schaut ernst, als sei sie besorgt, dass irgendwas einen Kurzschluss in meinem Gehirn ausgelöst hat.)
    Um es gleich vorwegzunehmen: Es gibt keine Geheim formel in diesem Buch. Keinen Zauberspruch. Sollte das Mys terium der Unsterblichkeit wirklich existieren, dann nicht hier.
    (Corvina hat genug. Er macht kehrt und stapft Richtung Ausgang, vorbei an den Abteilungen G ESCHICHTE und S ELBSTHILFE . Er geht an Penumbra vorbei, der gegen ein kleines Regal gelehnt abseits steht. Er wartet, bis Corvina fort ist, dann bildet er mit den Händen einen Trichter vor dem Mund und ruft: »Mach weiter, mein Junge!«)
    Viertes Dia
    Manutius’ Codex Vitae ist tatsächlich nichts anderes als das, was er von sich behauptet: ein Buch über sein Leben. Als historisches Werk ist es eine Kostbarkeit. Aber ich möchte mich hier auf den Teil beschränken, der von Gerritszoon handelt.
    Für die Übersetzung aus dem Lateinischen habe ich Google benutzt, daher bitte ich um Verständnis, wenn ein paar Details nicht stimmen.
    Der junge Gerritszoon zog durch das Heilige Land und verdiente sich mit Schmiedearbeiten hier und dort ein bisschen Geld. Manutius sagt, dass er sich mit den Mystikern traf – mit Kabbalisten ebenso wie Gnostikern und Sufis –, um zu
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