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Die Socken des Kritikers

Die Socken des Kritikers

Titel: Die Socken des Kritikers
Autoren: Werner Schneyder
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Es ist ganz wichtig, sofort hinzufahren und alles an Ort und Stelle zu bereinigen.
    Als er beim Frühstück in der spaceartigen Wohnküche seiner Frau erklärte, nach Stadtlingen brausen zu wollen, kam die scharfe Rückfrage, ob die Jungarchitektin mitfahre, mit der er etwas habe. Er schwor Stein und Bein und besten Gewissens, nein, denn seine Frau hatte die falsche gemeint.
    Jetzt raste er mit seinem Luxusauto dahin, die Wintersonne wie eine Verhörlampe im Gesicht.
    Diese Ehe endet mit einer Katastrophe, machte er sich klar. Es ist nur eine Frage des Zeitpunktes. Sie wird mir das Weiße aus den Augen nehmen, schon wegen der zwei Kinder. Wie konnte es nur so kommen? Ich bin schuldlos, natürlich, denn sie hat immer nur mich gemeint, nie meine Arbeit, meine Ideen, meine Zeichnungen. Die waren ihr egal. Sie hat mich immer nur als ihren Mann gesehen und nie als den hoch begabten Architekten, den die Welt gefälligst zu entdecken hat, sie hat nie begriffen, ohne meine Zeichnungen bin ich nicht zu haben, sie gehören zu mir wie meine schwarzen Naturwellen.
    Kurz vor Stadtlingen wurde er von der Polizei abgewinkt: Geschwindigkeitsüberschreitung.
    Der Center war in Stadtlingen gut aufgenommen worden. Die Zeitung hatte geschrieben, ein Mann mit dieser Routine würde als Hirn des dritten Sturmes die beiden jungen Flügelflitzer zu führen wissen. Man erinnerte sich seiner herausragenden Spiele zu Karrierebeginn und brachte auch das eine oder andere alte Foto.
    Stadtlingen hatte mittlerweile ein Fünf-Sterne-Hotel einer traditionellen Kette bekommen. Von dort war es für den Center nicht weit zu Training und Match. Das ihm zur Verfügung gestellte Auto stand allzeit unbenützt auf dem Hotelparkplatz. Und wenn er da, den Sportsack über dem Rücken, über die Straße ging und des Öfteren gegrüßt und aufgemuntert wurde, schien sich ein Zeitwunder zu ereignen. Die Fast-Food-Läden verschwanden, die alten Gasthäuser waren wieder da. Er hörte in der Fußgängerzone Autos hupen, wie damals, als er vor Aufregung vor dem Match bei Rot die Kreuzung hatte überqueren wollen. Er erinnerte sich an eine Knutscherei mit seiner späteren Frau in einem Hausflur, der jetzt nicht mehr dunkel war, sondern in einen gestalteten Innenhof führte, wo der obligate Italiener und der obligate Grieche ihrer Opfer harrten.
    Wunderbar in meinem Hotel die Hochrippe vom Wagen, was brauch ich sonst?
    Fünf Mal hatte er bis jetzt gespielt. Fünf Mal hatten sie in Serie gewonnen, der Aufstieg war zum Greifen nah. In der Zeitung stand, der Entschluss zum Bau der neuen Eishalle sei spät, aber nicht zu spät erfolgt, denn mit diesem abgewrackten und die potenziellen Zuschauer auch nicht mehr fassenden Stadion könne man sich in der Beletage des Sportes nicht blicken lassen, und die sei mehr als in Reichweite.
    In der Mannschaftsbesprechung bekam der Center einen nachhaltigen Schlag in die Magengrube. Der dritte Sturm solle heute ausschließlich zerstören, nur defensiv bleiben, den starken ersten Sturm des Gegners neutralisieren, auf Torjagd zu gehen hätten die Linien eins und zwei.
    Das hielt der Center für eine Zurücksetzung. Sein Sturm, der dritte, hatte bis jetzt in der Aufstiegsrunde genauso viele Tore geschossen wie die anderen, warum er heute nur die Drecksarbeit leisten sollte, war ihm unerklärlich.
    Oder überschätze ich meine Partien bisher? Habe ich mir eingebildet, so gut zu sein wie früher? Vielleicht nur, weil in dieser Liga langsamer gespielt wird? Hat der Trainer recht?
    Als sie sich umzogen, ging er aufs Klo. In seiner linken Faust waren drei Pillen. Erstmals drei. Bis jetzt hatte er immer zwei geschluckt, vor der dritten immer ein wenig Angst gehabt, aber es war schon seit längerer Zeit, schon in der Schweiz der Verdacht da, die zwei Pillen griffen nicht mehr so recht. Als das Geräusch der Spülung nachließ, tönte erstmals der Chor von Stiege 11 herein: Keiner wird es wagen, den ECS zu schlagen! Keiner wird es wagen, den ECS zu schlagen!
    Schön wär’s, sagte sich der Center.
    Der Architekt hatte auf einem Dreiergespräch im Büro des Bürgermeisters bestanden. Der beharrte zunächst einmal auf einer Beurteilung der neuen Büroeinrichtung. Seine Frau habe ihm einen fabelhaften Innenarchitekten empfohlen, und er müsse sagen, da habe sie einmal mehr ihren sicheren Geschmack bewiesen. Es war am Architekten, das zu bestätigen. Der log wie immer in solchen Fällen. Er fand alles gönnerhaft gut, aber wiederum nicht so gut, dass
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