Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Epsilon

Epsilon

Titel: Epsilon
Autoren: David Ambrose
Vom Netzwerk:
PROLOG
    Der Mann mittleren Alters, der Susan gegenübersaß, nickte nachdrücklich, ängstlich bemüht, sie davon zu überzeugen, dass er jedem ihrer Worte mit größter Aufmerksamkeit folgte.
    »Natürlich verstehe ich. Klar doch«, wiederholte er mehrfach. »Ich bin doch nicht blöd. Ich verlange nur eine Erklärung für das, was hier vorgeht. Wieso bin ich hier?«
    Susan achtete sorgfältig darauf, Blickkontakt mit ihm zu halten, während sie antwortete: »Sie haben unter einer äußerst seltenen Virusinfektion gelitten. Aber das ist nun alles überstanden, und körperlich sind Sie wieder auf dem Damm. Leider hat der Infekt jedoch Ihr Gehirn beschädigt. Und das hat Auswirkungen auf Ihr Gedächtnis gehabt.«
    »Das ist einfach lächerlich. Mein Gedächtnis funktioniert bestens. Ich weiß, wer ich bin, ich weiß, wo ich wohne, womit ich mein Geld verdiene…«
    »Sie erinnern sich an alles, was vor Ihrer Erkrankung liegt.«
    »Aber ich war nicht krank. Gestern noch habe ich ein ganz normales Leben geführt, zusammen mit meiner Frau und meiner Familie – und plötzlich wache ich hier auf. Für mich ist klar, was passiert ist. Ich wurde entführt!«
    Langsam wurde er wütend. Er rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her, gestikulierte wild und schlug mit der Hand auf den Tisch, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
    »Sie wurden nicht entführt, Brian. Das hier ist ein Krankenhaus. Man pflegt Sie hier.«
    »Warum trage ich diese Kleider? Woher stammen diese Kleider?« Er stand auf und strich sich angewidert über den weißen Kittel und die weißen Baumwollhosen.
    »Sie gehören dem Krankenhaus. Das tragen hier alle Patienten.«
    »Wie lange bin ich schon hier? Wo ist meine Frau?«
    »Ihre Frau wartet draußen auf Sie.«
    »Na dann bringen Sie sie doch um Gottes willen herein! Wo ist sie?«
    »Wenn Sie hier warten wollen, werde ich sie holen.« Susan stand auf. »Nur eine Sache noch, Brian. Sie werden feststellen, dass sich Ihre Frau verändert hat.«
    »Verändert? Wie verändert? Was meinen Sie damit?«
    »Sie sieht älter aus, als Sie sie in Erinnerung haben.«
    Verwirrt zog er die Stirn in Falten. »Wieso? Warum sollte sie älter aussehen? Ist das eine Art Trick? Wollen Sie mich reinlegen?«
    »Das ist kein Trick, Brian. Es ist nur so, dass Sie sich an Ihre Frau erinnern, wie sie vor langer Zeit war – vor Ihrer Erkrankung. Sie haben sie zwar erst vor drei Tagen zum letzten Mal gesehen, aber Sie haben sie so in Erinnerung, wie sie vor zwanzig Jahren ausgesehen hat.«
    Er blinzelte mehrmals, während er sie, immer noch stirnrunzelnd, anstarrte. »Ich verstehe nicht. Warum sagen Sie so etwas? Sie versuchen mich zu verwirren.«
    Susan schüttelte sanft den Kopf. »Nein, ich versuche nur Sie vorzubereiten, Brian. Ich werde jetzt Ihre Frau holen – wenn Sie bereit sind.«
    »Es wäre schön, wenn Sie das endlich täten. Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden, und ich weiß nicht, was hier vor sich geht. Ich will meine Frau sehen, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sie holen würden.«
    Panik schwang in seiner Stimme mit sowie die Entrüstung eines Menschen, der sich schlecht behandelt fühlt und eine längst überfällige Entschuldigung erwartet. Ihre Unterhaltungen endeten stets auf diese Art und Weise. In dem Augenblick, in dem Susan aus der Tür und außer Sicht war, würde er sich an nichts mehr erinnern: an kein Wort, das zwischen ihnen gefallen war, nicht einmal an die Tatsache, dass sie überhaupt da gewesen war. Selbst wenn sie nach nur fünf Sekunden zurückkehrte, würde es sein, als hätte er sie nie zuvor gesehen.
    Susan schloss die Tür hinter sich und betrat das angrenzende Zimmer, in dem ein Pfleger saß und auf einen Monitor blickte. Darauf war der Raum zu sehen, den sie gerade verlassen hatte und in dem Brian Kay stand, die Arme trotzig vor der Brust verschränkt und auf die Tür starrend, durch die sie eben verschwunden war. Sie wusste, gleich würde sich Verwirrung auf seinem Gesicht breit machen – ähnlich wie bei jemandem, der zu Hause ein Zimmer betritt, die Küche vielleicht oder das Schlafzimmer, und sich plötzlich nicht mehr daran erinnern kann, was er dort eigentlich wollte. Nach einer Weile würde Brian den Versuch aufgeben, sich zu erinnern, und das Rätsel ruhen lassen. Dann würde er aus dem Fenster starren (das sich nicht öffnen ließ und bruchsicher war), bis etwas anderes geschah, das seine Aufmerksamkeit erregte.
    Susan wartete, und tatsächlich ging er, als folge er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher