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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch
Autoren: Martin Schueller
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Tisch vor
Schwemmer.
    Schwemmer blätterte sie durch. Eigentlich nicht
spektakulär, eine Grube halt. Die Erde war wüst verstreut worden,
offensichtlich hatte man von Anfang an nicht vor, das Loch wieder zu schließen.
Das Kreuz war umgekippt, aber es sah nicht wirklich geschändet aus, eher, als
sei es bei der Arbeit im Weg gewesen.
    »Sind sie runter bis zum Sarg?«
    »Ja, aber nicht rein, Gott sei Dank. Vielleicht sind
sie gestört worden.«
    »Wessen Grab ist das?«
    »Gehört einer Familie Kunkel. Da ist vor drei Monaten
eine Frau Antonia Kunkel, geborene Stubschreiner, begraben worden. Verstorben
mit hundertvier.«
    »Jessas. Und die gräbt man wieder aus …
Spurenlage?«
    »Sohlenabdrucke, scheinen von zwei Personen zu
stammen. Dräger sucht noch.«
    »Verdacht?«
    »Der Zeuge, der das entdeckt hat, ein Herr Gärtner,
der meint, es gäb da eine Rockband.«
    »Wieso eine Rockband?« Schwemmer griff nach seinem
Kaffee.
    »Die proben in der Nähe in einer alten Fabrikhalle.
Der Gärtner meint, das seien Satanisten.«
    »Das fehlt noch. Wissen wir da was drüber?«
    »Nein. Keinerlei Erkenntnisse.«
    »Satanisten!«, murmelte Schwemmer. »Das erzähl ich auf
keinen Fall der Zeitung, bevor wir das nicht wasserdicht haben.«
    »Am besten nicht mal dann«, sagte Schafmann. »Das gibt
nur Nachahmer. Aber es weist auch nichts auf irgendwelche Rituale hin oder so
was, da ist nur gegraben worden.«
    Das Telefon läutete und signalisierte einen Internruf
von Frau Fuchs. Schwemmer nahm ab.
    »Ich hab die Wache am Apparat«, sagte sie. »Unten ist
Frau Kindel, Johanna Kindel.«
    Sie sagte das in einem Ton, als wüsste Schwemmer
selbstverständlich, wer das sei, was allerdings nicht der Fall war.
    »Und?«, fragte er also.
    »Sie möchte Sie sprechen.« Nun klang Frau Fuchs, als
würde Schwemmer eine Ehre erwiesen.
    Er runzelte die Stirn.
    »Wer ist diese Dame denn?«
    »Die Seherin!«, sagte Frau Fuchs, hörbar fassungslos
ob seiner Ahnungslosigkeit.
    »Hä?«, stieß Schwemmer hervor, »die Seherin ?«,
und sah erstaunt zu Schafmann, als er den »Oh Gott« murmeln hörte.
    »Soll warten«, sagte er in den Hörer und legte auf.
    »Die Kindel?«, fragte Schafmann.
    »Ja. Wer ist das?«
    Schafmann kratzte sich verdrossen am Kopf.
    »Das war vor deiner Zeit. Aber du hast noch von ihr
profitiert, könnte man sagen. Sonst hättest du deinen Job erst drei Jahre
später gekriegt.«
    »Muss ich das verstehen? Du sprichst in Rätseln!«
    »Der Fall, in den sie verwickelt war, hat deinen
Vorgänger, EKHK Lortzig, mehr oder
weniger in die Frühpensionierung getrieben. Nicht direkt, aber dass er sich
davon nicht mehr richtig erholt hat, ist ein offenes Geheimnis.«
    »Allzu offen wohl nicht. Sonst wüsst ich doch davon,
oder?«
    »Da redet hier keiner gerne drüber …«
    »Und was hat diese Dame damit zu tun?«
    Schafmann holte Luft. »Die Kindel galt vielen im Ort
als Seherin. Sie hat in den Sechzigern mal einen unerwarteten Todesfall korrekt
vorhergesagt. Sie hat dem Pfarrer erzählt, dass irgendeine junge Frau bald
sterben würde. Ein paar Tage später hatte die tatsächlich einen
Blinddarmdurchbruch, und bis der Arzt oben auf dem Hof war, war’s zu spät. Und
dieser Pfarrer, der Depp, hat nix Besseres zu tun, als das rumzuratschen.«
    »Der Pfarrer?« Schwemmer schüttelte fassungslos den
Kopf. »Damit war die Sache doch quasi offiziell?«
    »Genau«, sagte Schafmann. »Sie war keine, die
Aufhebens um sich machte, aber die Leute haben ihr die Bude eingerannt. Obwohl
ihre Trefferquote eigentlich ziemlich mager war. Und dann, das war …«,
Schafmann dachte einen Moment nach, »… sechs- oder siebenneunzig muss das
gewesen sein, da hatten wir einen Mordfall in Farchant. Ein junger Mann, mit
einem Messer bestialisch zugerichtet, zum Schluss mit einer Kugel in den Kopf
regelrecht hingerichtet, wie mit einem Fangschuss. Wir hatten ein paar Spuren,
aber keine Resultate. Nix.«
    »Habt ihr die Waffen gefunden?«
    »Eben nicht. Die sind nie aufgetaucht, das war das
Hauptproblem. Lortzig war stocksauer. Hier war eine Atmosphäre … Wochen ging
das. Und dann steht auf einmal die Kindel in der Tür und sagt, der Kugler Alois
war’s.«
    »Und wie kam sie darauf?«
    »Nun, sie hat’s eben gesehen . Sie war sich ganz
sicher. Nun hatten wir diesen Kugler durchaus auf der Liste, hatten aber nichts
gefunden, bis dahin. Wir haben dann weitergebohrt und doch noch das ein oder
andere zutage gefördert, bis der alte Felbermayr bei der
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