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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch
Autoren: Martin Schueller
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Grainau.«
    »Oha«, sagte Schwemmer. Das klang nach lästigem Ärger.
Wahrscheinlich war es das Beste, jemanden von der Zeitung nicht mehr im Haus zu
haben, wenn das bekannt wurde.
    »Dann bitten Sie den Herrn herein. Sagen Sie ihm aber,
ich hätte nur ein paar Minuten über.«
    Frau Fuchs verschwand, und Schwemmer hatte gerade
seinen zweiten Schluck Kaffee genommen, als ein glatt wirkender Endzwanziger
sein Büro betrat, der sich als Herr Schmitz von der SZ vorstellte. Das Gespräch war wenig problematisch, Herr
Schmitz wollte nur eine kurze Einschätzung zum Zusammenhang zwischen Tourismus
und Drogenkriminalität und war mehr an knackigen Statements als an Fakten
interessiert.
    Nach fünf Minuten bedankte Herr Schmitz sich, aber
bevor er seinen Block zuklappte, fragte er:
    »Und was ist das für ein Mord, den Sie da aufklären?«
    Schwemmer sah ihn irritiert an. »Ich weiß jetzt gerade
nicht, was Sie meinen«, sagte er.
    »Ihre Sekretärin hat eben einer Dame, die da mit mir
wartete, gesagt, Sie seien durch einen Mordfall aufgehalten worden.«
    Schwemmer räusperte sich und hoffte inständig, nicht
rot anzulaufen, aber er fühlte, wie seine Wangen heiß wurden.
    »Es ist … äh … zu früh, zu dem Fall etwas zu sagen. Es
steht ohnehin noch in Frage, ob es sich überhaupt um ein … ähm … Tötungsdelikt
handelt.«
    »Können Sie mich denn auf dem Laufenden halten? Meine
Karte haben Sie ja.« Herr Schmitz lächelte ihn an – irgendwie hinterhältig, wie
Schwemmer fand.
    »Natürlich … natürlich, das machen wir.«
    Herr Schmitz verabschiedete sich freundlichst. Sobald
die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, sank Schwemmer stöhnend in seinem
Drehstuhl zusammen. Es dauerte einen Moment, bis seine innere Schimpftirade auf
den Leiter der Kriminalpolizeistation Garmisch-Partenkirchen, einen gewissen
Balthasar Schwemmer, abgeklungen war. Dann bestellte er bei Frau Fuchs noch
einen Kaffee und griff zum Telefon.
    Er rief Verena Hoibl an, Mitarbeiterin des Jugendamtes
und alte Freundin von Burgl. Wie er erhofft hatte, würde sie gegen Mittag
einige Außentermine haben und bei der Gelegenheit mal nach Burgl schauen, wie
sie es gestern schon getan hatte. Gleichwohl konnte Vreni nicht mit Kritik
hinter dem Berg halten an dem Ehemann, der es nicht schaffte, seine Frau
einfach mal zum Arzt zu bringen.
    »Probier’s doch selber mal, blöde Kuh«, murmelte
Schwemmer, aber erst, nachdem er aufgelegt hatte.
    Frau Fuchs brachte den zweiten Kaffee, und er griff
nach den Akten, die die Nachtschicht hinterlassen hatte. Er ging die Fälle
durch, fand keinen Grund zur Kritik an der Arbeit der Kollegen und näherte sich
halbwegs seiner Normalform, von der seine Mitarbeiter wussten, dass sie sich
zur Gänze nicht vor halb zehn einstellte. Mittlerweile waren sie darauf
eingerichtet und reagierten mit einer Mischung aus Toleranz und Zeitmanagement.
Denn sie wussten: In aller Regel lohnte es nicht, selbst dringende Probleme
früh mit Schwemmer zu besprechen, weil sie sowieso erst nach halb zehn gelöst
wurden. Und nach halb zehn ging dann alles einfacher, schneller und angenehmer.
    So wunderte es Schwemmer wenig, als um neun Uhr
zweiunddreißig Hauptkommissar Schafmann an die Tür klopfte und eintrat. Er
nickte Schwemmer einen kurzen Gruß zu und setzte sich.
    »Wie geht’s zu Hause?«, fragte er zum Auftakt.
    »Gehen geht gar nicht«, antwortete Schwemmer. »Sitzen
auch nicht. Stehen geht. Liegen nur halb. Und bei dir?«
    »Grippe bei der Kleinen, eine Sechs in Mathe beim
Großen, neue Schlittschuhe fällig beim Kleinen, Waschmaschine kaputt, und ich
glaub, ich krieg Gicht. Meiner Frau geht’s gut, danke.«
    »Wieso Gicht?«
    »Ich hab ein Stechen am Gelenk vom großen Zeh. Links.«
    Er zeigte auf seinen Fuß, der in einer sehr
undienstlich wirkenden Sandale steckte. Da sie zudem der Witterung ziemlich
unangepasst schien, trug Schafmann darin dicke Stricksocken.
    »Nur damit’s nicht so drückt«, sagte Schafmann, als er
Schwemmers Blick bemerkte.
    Schwemmer war es auch um halb zehn noch zu früh für
eine der Krankengeschichten aus Schafmanns unerschöpflichem und immer wieder
aufgestocktem Vorrat. »Lass uns über was Erfreulicheres reden«, sagte er.
    »Ich hätte eine Grabschändung im Angebot.«
    »Von mir aus«, sagte Schwemmer, aber Schafmanns Miene
war ungewohnt ernst.
    »Miese Sache«, sagte er. »Nicht nur ein paar
umgekippte Marterl diesmal. Die haben richtig gegraben.«
    Er warf einen kleinen Stapel Fotos auf den
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