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Die schwarze Hostie

Die schwarze Hostie

Titel: Die schwarze Hostie
Autoren: Birgit Kluger
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wirst deine Anmeldung zurückziehen. In vier Wochen beginnt das Herbstsemester in Hamburg. Ich habe dich bereits für das Betriebswirtschaftsstudium angemeldet. Und das, junge Dame, ist genau das, was du studieren wirst!“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, verließ er den Raum.
     

     
    Gegen seinen Willen schlossen sich Alexanders Augen. Wie Bleigewichte fielen die Lider nach unten, sie zu öffnen, würde mehr Kraft erfordern, als er besaß. Es waren nur wenige Sekunden, in denen er seine Umgebung erkundet hatte. Trotzdem überkam ihn ein bleiernes Gefühl der Müdigkeit, und er merkte, wie die winzige Flamme, die ihn am Leben hielt, kämpfte, um nicht zu erlöschen.
    Kalt.
    So kalt.
    Die Worte verhallten in seinem Kopf, wurden zurückgeworfen. Wärme floss durch seinen Körper. Zurückgeworfen? Wärme? Irgendetwas oder irgendjemand hatte seine Gedanken gehört. Sein Pulsschlag beschleunigte sich, als er diese Erkenntnis aufnahm. Die Flamme, die eben noch kurz davor war zu ersterben, tanzte mit einem Mal. Energie! Nicht viel, aber genug, um ihn am Leben zu erhalten. Genug, um mehr zu ermöglichen.
    Vorsichtig streckte er seine Sinne aus, zwang sie, diesen Raum zu verlassen. Dabei war er sich mit jeder Faser seines Wesens der Gefahr bewusst, in die er sich begab. Wenn Torsten Halder auch nur das kleinste Lebenszeichen von ihm auffing, war er verloren. Er musste weiterhin glauben, dass Alexander dem Tod entgegenging. Oder besser noch, bereits tot war.
    Sariel.
    Er hätte es wissen müssen. Torsten Halders Nichte hatte seine Gedanken aufgefangen, sie reflektiert und ihnen dadurch etwas von ihrer Kraft gegeben. Zögerlich tastete Alexander ihre Aura ab. Er wollte ihr nicht noch mehr Energie entziehen. Sie hatte bereits mehr als genug getan. Auch wenn sie davon nichts ahnte.
    Angst.
    Irgendjemand oder irgendetwas jagte Sariel Angst ein.
     

4
    Nur wenige Minuten, nachdem Torsten Halder das Esszimmer verlassen hatte, stand Sariel ebenfalls auf. Ihr war der Appetit vergangen, daran konnte auch der frische, geräucherte Lachs auf ihrem Teller nichts ändern. Alles schmeckte schal, so als sei das Leben schon lange daraus entwichen. Selbst die Marmelade hatte einen alten, abgestandenen Geschmack. Das musste an ihrer Stimmung liegen, denn Martha, die Haushälterin ihres Onkels, achtete stets darauf, dass nur das Beste auf dem Esstisch zu finden war. Andernfalls hätte er sie längst gefeuert.
    Mit einem Ruck versuchte sie, die düsteren Gedanken abzuschütteln. Ich bin ihm dankbar, wiederholte sie wie ein Mantra in ihrem Kopf. Sie hatte es in den letzten zwei Jahren zu einem unablässigen Refrain gemacht. Wenn er nicht gewesen wäre, hätte sie sich allein zurechtfinden müssen. Was vielleicht besser gewesen wäre, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf.
    Der kostbare Perser auf dem Fußboden verschluckte das Geräusch ihrer Schritte, als sie auf die Tür zuging. Sie musste diesen Raum verlassen. Oder noch besser, dieses Haus, das von der Wut erfüllt zu sein schien, die ihren Onkel gepackt hatte.
    Auch die Flure waren mit dicken Teppichen ausgelegt, was der Grund dafür war, dass sie es zuerst nicht wahrnahm. Dann aber hörte sie es, ein leises Tapsen, die Schritte eines Tieres, das ihr folgte. Ein kalter Schauer rann ihren Rücken hinab. Das konnte nur einer der Rottweiler sein, die ihr Onkel hielt. Normalerweise waren diese Kreaturen in den Zwingern verbannt; nur nachts ließ er sie hinaus. Dann machten sie den Garten unsicher. Obwohl Torsten Halder immer wieder versichert hatte, sie würden Sariels Geruch kennen und ihr niemals etwas zuleide tun, ging sie ihnen aus dem Weg. Ihre Anwesenheit war mit ein Grund dafür, weshalb sie abends niemals das Haus verließ.
    Vielleicht beabsichtigte er genau das damit. Ärgerlich vertrieb sie diesen Gedanken. Was war nur heute mit ihr los? Torsten Halder war mit Sicherheit kein herzlicher Mensch. Es lag nicht in seiner Natur, Gefühle auszudrücken oder liebevoll zu sein. Allein die Idee, er könne sie in eine Umarmung schließen, führte dazu, dass sich ein zynisches Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete. Nein, seine Stärke lag nicht darin, eine entspannte Atmosphäre zu schaffen. Vielmehr im Gegenteil: Wo immer er sich aufhielt, schien er eine Aura der Macht und der Aggression zu verbreiten. Aber egal, wie gefühlskalt er auf andere Menschen wirken mochte, so wusste sie doch eines: Seine Familie bedeutete ihm alles.
    Noch immer dieses Tapsen. Ein Hecheln gesellte sich hinzu. Wie von
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