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Die schwarze Hostie

Die schwarze Hostie

Titel: Die schwarze Hostie
Autoren: Birgit Kluger
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ausgestreckt auf dem kostbaren Perserteppich, der die Bibliothek ihres Onkels in einen sanften rotgoldenen Ton hüllte.
    Sie hatte es geschafft. Die Stimme, die sie begrüßte, räumte letzte Zweifel aus: „Interessant. Du hast die Verwandlung schneller durchlaufen als erwartet.“
    Torsten Halder durchbohrte sie mit seinem Blick. Ein Frösteln kroch durch ihren Körper. Ihr Onkel sah wütend aus. Etwas zittrig kam sie auf die Beine.
    „Welche Verwandlung meinst du?“ Die Frage war überflüssig, aber sie wollte sicher sein, dass sie ihn richtig verstanden hatte. Anscheinend wusste ihr Onkel genau, was sie war. Warum aber hatte er ihr nie auch nur den kleinsten Hinweis darauf gegeben?
    „Deine Verwandlung in einen Halbdämonen natürlich. Du wärst nicht hier, wenn du nicht wüsstest, wovon ich rede.“ Der Tonfall war noch immer kalt. Torsten Halder musterte sie. Sein Interesse schien distanziert, emotionslos. So, als würde er eine neue Spezies unter dem Mikroskop untersuchen, deren Vorhandensein er seit Langem geahnt hatte.
    „Alexander hat mir erzählt, was ich bin. Was meine Mutter war. Du hast es nicht für nötig befunden, mich aufzuklären.“ In ihren Worten schwang nicht nur die Anklage mit, sondern auch Wut. Dieses Gefühl wurde allmählich vertraut.
    „Alexander. Der Ifrit. Vielleicht sollte er sich nicht in Dinge einmischen, die ihn nichts angehen. Wo ist er?“
    Die Frage klang harmlos. Aber Sariel kannte ihren Onkel gut genug, um sein Interesse zu ahnen, das er nicht zugeben wollte.
    „Ich weiß es nicht. Er hat mich an einen abgelegenen Ort gebracht. Es war dunkel dort … und heiß.“ Die Lüge kam über ihre Lippen, noch bevor sie sich darüber im Klaren war, warum es besser wäre, nicht die Wahrheit zu sagen. Irgendein inneres Warnsystem war aktiviert worden. Es sandte verwirrende Signale aus. Eines aber war eindeutig, sie hatte Angst!
    „Soso. Und was hat er noch erzählt, dieser Alexander?“
    „Ich besäße etwas, was du haben willst. Deshalb hättest du mich in meinem Zimmer eingesperrt. Ist das wahr?“
    Die Angst breitete sich immer weiter aus und ergriff Besitz von ihrem Körper. Sariel hatte Mühe, sich nichts anmerken zu lassen. Aus irgendeinem Grund war es wichtig, gelassen zu wirken.
    „Das hat er also gesagt.“ Torsten Halder lehnte sich in seinem Sessel zurück und schloss die Augen. Mehrere Sekunden vergingen, in denen Sariel sich zunehmend unbehaglicher fühlte. Und dann spürte sie es. Sie konnte jeden einzelnen Blutstropfen wahrnehmen, der durch ihre Adern floss, registrierte, wie der Blutstrom von einem hellen, gesunden Rot zu einer gräulichen, dunklen Masse verklumpte. Ihr Körper wurde schwer. Das Atmen zu einer mühsamen Arbeit, die ihre Lungenflügel gerade noch verrichten konnten. Ihr Herzschlag verlangsamte sich, kämpfte mit der dicken Flüssigkeit, die durch die Adern gepumpt werden musste.
    „Ein unangenehmes Gefühl, nicht wahr?“ Ihr Onkel klang zufrieden. Er öffnete seine Augen und betrachtete sie. Ein Lächeln breitete sich auf seinen Gesichtszügen aus. „Dein kleiner Ifrit ist nichts weiter als ein Grünschnabel, der die ersten Schritte lernt. Er ist dumm.“ Mit einer wegwerfenden Handbewegung unterstrich Halder seine Worte. „Wenn er auch nur ein wenig mehr Verstand hätte, wüsste er, dass man sich über seine Feinde informiert. Ich studiere seit über vierzig Jahren Magie, Dämonologie, Geister und alles, was damit zusammenhängt. Ich werde ihn zermalmen. Ihn ausbluten lassen.“
    Der Schock, den diese Worte hervorriefen, breitete sich langsam aus. Alles schien zähflüssig zu sein. Ihr Blut, ihre Gedanken, ihre Gefühle. Fast war sie dankbar dafür. Trotzdem formten ihre Lippen das eine Wort, das alle Fragen zusammenfasste, die sie stellen wollte: „Warum?“
    Ihr Onkel lachte. „Warum? Was glaubst du, liebe Sariel, weshalb ich das alles tue? Um Macht zu erlangen und Unsterblichkeit. Leider benötige ich tatsächlich etwas, was nur du mir geben kannst. Das Blut eines Halbdämonen. Jetzt, nachdem du die Verwandlung begonnen hast, bist du am wertvollsten für mich. Voller Kraft und Magie. Nett von dir, dass du gerade in diesem Augenblick zu mir gekommen bist. Ich dachte, dieser verfluchte Ifrit hätte dich außerhalb meiner Reichweite gebracht.“
    Blut.
    Macht.
    Unsterblichkeit. Die Worte tanzten einen Reigen in ihrem Kopf. Verloren an Sinn. Sie versuchte, sich einen anderen Ort vorzustellen. Alexanders Adlerhorst hoch oben in den Bergen. Das
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