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Die schwarze Hostie

Die schwarze Hostie

Titel: Die schwarze Hostie
Autoren: Birgit Kluger
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noch. Er war rasend. Wenn sie nicht sofort von hier verschwanden, würde Sariel diese Begegnung nicht überleben. Halder hatte eine Entscheidung getroffen. Sie sollte noch heute sterben. Der Banker hatte beschlossen, dass ihr Beitrag zu der schwarzen Hostie wichtiger war, als mit ihr ein Kind zu zeugen. Halder hatte erkannt, wie gefährlich es war, seine Pläne aufzuschieben.
    „Sie kommen. Dein Onkel und seine Männer.“
    „Gut! Ich muss mit ihm reden. Ihm klarmachen, dass er kein Recht hat …“
    Mit einer Handbewegung unterbrach er ihren Redefluss. „Nicht jetzt.“
    „Du wirst mir nicht erzählen, was ich zu tun habe. Es reicht, wenn mein Onkel denkt, er könne über mein Leben bestimmen.“
    Nur noch wenige Meter, dann würden sie ihr Ziel erreicht haben. Er konnte die Vibrationen spüren. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als ihren Willen zu beugen. Noch bevor er seine Hand erneut ausstreckte, bereute er, was er tat.
     

8
    Das Sonnenlicht war so hell, dass sie die Augen zusammenkneifen musste. Es strömte ungehindert durch eine riesige Fensterscheibe. So muss es aussehen, wenn man gestorben und in den Himmel gekommen ist, dachte sie, während sie sich aufrichtete und die Umgebung aufmerksam musterte.
    Sie befand sich in einem seltsamen Raum. Hier fehlten rechte Winkel und glatte Wände, sodass der Eindruck entstand, sich in einer luxuriösen Höhle zu befinden. Dunkelgraues Schiefergestein rahmte das Gemach ein. Es ist tatsächlich aus dem Fels geformt, ging es ihr durch den Kopf. Neugierig sah sie sich weiter um. Auf dem Fußboden sorgten bunte Teppiche für Kontrast zu dem grauen Stein. Ein Sessel und ein Tisch, beides aus Ästen hergestellt, bildeten eine Sitzgruppe. Das Zimmer war behaglich, verströmte aber eine Atmosphäre, als sei es seit Langem nicht mehr benutzt worden.
    Erneut suchte ihr Blick die Glasfront, die eine atemberaubende Aussicht bot. Wie in einem Adlerhorst konnte sie von ihrem Bett aus das Panorama der Bergwelt genießen, das sich in seiner ganzen Pracht vor ihr ausbreitete. Schneebedeckte Gipfel und ein eisblauer Himmel erstreckten sich in einer unendlichen Weite.
    Es dauerte mehrere Minuten, bevor sie es schaffte, sich von dem Anblick loszureißen und die Gedankenfetzen, die durch ihren Kopf wanderten, zusammenzusetzen. Alexander. Die Hand, die er ausstreckte. Und dann Dunkelheit.
    Mit einem Ruck setzte sie sich auf. Das Bett, in dem sie gelegen hatte, war riesig. Weiche Kissen wollten sie dazu verführen, länger zu verweilen. Die Decke schmiegte sich an ihren Körper, als wolle sie sie ebenfalls überreden, zu bleiben und die Aussicht zu genießen.
    Sie widerstand der Versuchung. Stattdessen ließ sie ein vertrautes Gefühl zu. Wut. Schon wieder hatte ein Mann seinen Willen über den ihren gestellt. Alexander hatte sie in eine Ohnmacht sinken lassen. Sie wusste nicht, wie er das geschafft hatte. Aber sie war sicher, er hatte sie in das schwarze Loch fallen lassen, als er mit seiner Hand auf ihren Kopf deutete. Danach musste er sie aus dem Haus ihres Onkels gebracht haben.
    Wie hatte Alexander das geschafft, ohne von Torsten Halder daran gehindert zu werden? Ihr Onkel mit seinen Bodyguards hätte in der Lage sein müssen, ihn aufzuhalten. Und dann war da noch Rosco.
    Die Wut wurde von etwas anderem verdrängt. Angst. Dieser Mann hatte sie entführt. Auch wenn die Umgebung luxuriös war, so konnte dies nur eines bedeuten: Ihr Leben war in Gefahr. Ihre Muskeln, die eben noch bereit gewesen waren, ihren Körper mit einem Satz aus dem Bett zu befördern, gaben ihren Dienst auf. Sariel fiel in die Kissen zurück und ergab sich der Sturzflut der Gefühle, die über sie hinwegspülte. Es war seltsam. Nach dem Tod ihrer Eltern war sie in ein Vakuum geflüchtet, das sämtliche Emotionen aussperrte. Erst in den letzten Tagen hatten es zwei Gefühle geschafft, diese Mauer zu durchdringen: Wut und Angst.
    Die Wut konnte ihr nützlich sein. Mit einem tiefen Atemzug versuchte sie, die Panik aus ihrem Kopf zu vertreiben. Was auch immer dieser Mann mit ihr vorhatte, sie würde es ihm nicht so leicht machen, wie er zu denken schien. Sie war bereit zu kämpfen.
    Mit einem Satz sprang sie aus dem Bett. Es wurde Zeit, Alexander zu konfrontieren.
    Wenn sie geglaubt hatte, die Aussicht aus ihrem Zimmer sei atemberaubend, so wurde sie schnell eines Besseren belehrt. Der Raum, den sie nun betrat, war etwa zehnmal so groß. Die Felsdecke wölbte sich in einem hohen Bogen über ihrem Kopf, aber das
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