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Die schwarze Hostie

Die schwarze Hostie

Titel: Die schwarze Hostie
Autoren: Birgit Kluger
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hatte. Wenn er das Falsche sagte, war es möglich, dass er das gesamte Gefäß zerstörte.
    „Sag mir die Wahrheit, Alexander.“ Als er noch immer schwieg, lachte sie. Es war kein fröhlicher Laut. „Du bist wie mein Onkel. Auch Torsten erzählt nur Dinge, die ich seiner Meinung nach wissen darf .“
    Mit einem Ruck hob er den Kopf. „Ich bin in nichts deinem Onkel ähnlich.“ „Sieht aus, als hätte ich einen wunden Punkt getroffen.“ Der Sarkasmus verriet mehr über ihren Gemütszustand, als sie dachte. Vielleicht war sie stärker, als er zunächst angenommen hatte. Außerdem hatte sie ein Recht, die Wahrheit zu erfahren, zumindest was die Frage ihrer Herkunft anbelangte.
    „Du bist ein Halbdämon. Das Kind einer Dämonin und eines Menschen.“
    „Eine Halbdämonin?“ Sie lachte wieder. Dieses Mal aber bewegte sich das Lachen auf dem schmalen Grat zwischen Hysterie und … etwas anderem. „Es gibt keine Dämonen. Was bedeutet, dass es mich nicht gibt.“
    „Sieh mich an, Sariel. Ich bin ein Dämon, ein Ifrit.“
    Sie schüttelte den Kopf. „Die Nummer also. Als Nächstes soll ich glauben, mein Onkel sei ein Vampir … und ach, ja, Werwölfe gibt es auch. Nicht wahr, Alexander?“
    „Du weißt, dass ich die Wahrheit sage. Warum also versuchst du, das Ganze ins Lächerliche zu ziehen?“
    Dieses Mal war sie diejenige, die schwieg. Als sie sprach, war ihr Blick zum ersten Mal seit diesem seltsamen Zusammentreffen wieder klar. „Meine Mutter konnte das auch. Sich in Rauch auflösen. So wie du. Ich hatte es vergessen. Ich war noch ein Kind, als sie es das letzte Mal tat. Als ich anfing, darüber zu reden, hörte sie damit auf. Warum hat sie mir nie gesagt, was ich bin?“
    „Ich weiß es nicht. Ich wünschte, ich könnte dir diese Frage beantworten, aber ich kann nicht.“
    „Kanntest du sie?“
    „Nein. Aber das ist nicht ungewöhnlich. Die Mehrzahl unserer Art sucht keine Gesellschaft. Meist leben wir allein, an entlegenen Orten.“ Mit einer Geste wies er auf die Fensterfront vor ihnen.
    „Ifrit.“ Sie sprach das Wort, als wolle sie seinen Geschmack testen.
    „Ich kann dir von uns, von unserer Art erzählen, wenn du möchtest“, bot er an.
    Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Ich muss … ich muss darüber nachdenken.“
    Die Tajine war fast fertig, als sie die Küche betrat. Seit ihrem Gespräch waren mehrere Stunden vergangen. In dieser Zeit war kein Laut aus ihrem Zimmer gedrungen. Er hatte sich Sorgen gemacht. Sariel hatte viel durchmachen müssen in den letzten Tagen. Er wünschte, er hätte ihr die Erkenntnis, dass sie eine Halbdämonin war, ersparen können. Aber nach der Verwüstung, die sie in seinem Wohnzimmer angerichtet hatte, war das unmöglich. Gegen seinen Willen musste er lächeln. Der Raum sah aus, als ob ein Tornado hindurchgefegt war. Sariel Halder hatte offensichtlich das erregbare Temperament der Ifrit geerbt. Er fragte sich, welche Charaktereigenschaften ihre Mutter ihr noch vererbt haben mochte.
    „Das riecht gut.“ Sariel trat an seine Seite und betrachtete die Tajine, die auf einer Tonschale stand, in der die Holzkohle bereits zu einer weißlichen Glut heruntergebrannt war. „Was ist das?“
    „Das ist eine Tajine, ein marokkanisches Tongefäß. In Marokko wird es fast täglich benutzt, um Speisen zuzubereiten. Ich mag diese Art des Essens, denn es ist sehr würzig, ohne allzu scharf zu sein.“
    „Klingt gut.“
    Mit einer einladenden Handbewegung wies er zum Tisch. „Setze dich. Das Essen ist fast fertig.“
    „Danke! Ich hatte nicht erwartet, bekocht zu werden.“
    „Dachtest du, ich würde dich verhungern lassen?“
    „Nein. Ich war mir nur nicht sicher, ob Dämonen überhaupt essen.“ Sie sah ihn herausfordernd an.
    „Wir essen, aber anders als Menschen können wir sehr lange ohne Nahrung auskommen. Wir sind nahezu unsterblich.“
    „Unsterblich. Dafür siehst du ziemlich jung aus.“ Sariel musterte ihn. „Ich würde dich auf Mitte zwanzig schätzen.“
    „Ich bin hundert Jahre alt. Es gibt Ifrit, die über tausend Jahre zählen, trotzdem sehen sie nach euren Maßstäben nicht alt aus. Für einen Ifrit bin ich jung.“ Was auch der Grund dafür war, dass Halder mich überlisten konnte, fügte er in Gedanken hinzu.
    „Und Halbdämonen? Was ist mit mir, bin ich auch unsterblich?“
    „Möglicherweise. Es gibt Halbdämonen, die sehr alt werden und erst mit zweihundert oder dreihundert Jahren sterben. Manche sind ebenso wie wir unsterblich. Das hängt
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