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Die schwarze Hostie

Die schwarze Hostie

Titel: Die schwarze Hostie
Autoren: Birgit Kluger
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war es nicht, was ihren Blick festhielt. Die gesamte vordere Front des Raumes wurde von fast zwanzig Meter breiten Panoramafenstern dominiert. Ohne sich dessen bewusst zu sein, verharrte sie und sog das Bild in sich auf.
    „Guten Morgen. Ich hoffe, es geht dir gut.“ Die leisen Worte unterbrachen ihre Andacht.
    „Gut?“ Noch während sie dieses eine Wort ausspuckte, wirbelte sie zu ihm herum. „Als gut würde ich es nicht bezeichnen, wenn ich aus einer Bewusstlosigkeit erwache, die von dir verursacht wurde.“
    „Es tut mir leid.“ Alexander löste sich von der Felswand, an der er gelehnt hatte, und trat einen Schritt auf sie zu.
    „Das ist mir egal. Ich will hier weg, nach Hause, und zwar sofort.“
    „Das geht nicht.“
    „Ach, ich vergaß. Mein Onkel hat deine Forderungen wohl noch nicht erfüllt. Das wird er nicht tun. Er verhandelt nicht mit Verbrechern.“
    „Forderungen?“ Alexander sah sie irritiert an. „Ich will nichts von deinem Onkel.“
    „Warum hast du mich dann entführt?“
    „Entführen ist nicht das richtige Wort.“ Für einen Augenblick herrschte Stille.
    „Dann sollte es kein Problem sein, mich wieder nach Hause zu bringen.“
    „Ich sagte bereits. Es geht nicht.“ Alexander ging an ihr vorbei, bis er vor dem Fenster stand. Dann drehte er sich um und bedeutete ihr näher zu kommen. Den Teufel würde sie tun.
    „Bitte“, sagte er schließlich, nachdem sie seiner Aufforderung nicht nachkam.
    „Warum sollte ich?“
    „Ich möchte dir etwas zeigen.“
    Letztendlich siegte die Neugierde. Wenn ihre Vermutung stimmte, mussten sie sich hoch oben auf einem Berggipfel befinden. Zwei Schritte bestätigten ihre Vermutung. Fast wurde ihr schwindelig, als sie aus dem Fenster nach unten blickte. Wie hatte er an diesem Ort eine Behausung errichten können?
    Frei. Obwohl er ihren Wunsch verweigert hatte, kam sie sich frei vor. Wie der Adler, der hoch am Himmel seine Kreise zog. Es war … seltsam. Sie fühlte sich schwerelos, so als sei ihr Körper nicht mehr an die Erdanziehungskraft gebunden. Fast glaubte sie, sie könne sich ebenso wie der Vogel in die Lüfte erheben. Die Berge bewirkten, was er nicht vollbracht hatte: Ihre Wut löste sich auf.
    Aber das war unwichtig. Alles, was zählte, war ihr Wille.
    „Nein.“ Alexander sprach noch immer so leise, dass sie das Wort mehr erahnte, als es zu hören.
    „Ich bin es leid, mir von Männern sagen zu lassen, was ich zu tun habe. Erst mein Onkel und nun du. Ich werde noch heute diesen Ort verlassen. Und du wirst mir helfen, von diesem Berg wieder herunterzukommen.“
    „Wenn ich das tue …“ Alexander ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen. Anstatt ihn zu vollenden, wechselte er das Thema. „Du hast etwas, was dein Onkel besitzen will. Das ist der Grund, weshalb du nicht gehen kannst. Zurzeit ist Halder … nicht ganz er selbst.“
    Während er diese seltsame Erklärung abgab, ging eine Veränderung in ihm vor. Sein Gesicht verzerrte sich und seine Hände ballten sich zu Fäusten. Er trat einen Schritt zurück. Wie schon zuvor hatte sie das Gefühl, er sei kurz davor, sich auf sie zu stürzen. Und dann geschah etwas Seltsames. Sie konnte sehen, wie dunkle Energie in einem Wirbel um seinen Körper floss. Es sah aus, als stünde er in einem Strudel aus schwarzem Nebel. Der Anblick war unheimlich.
    Er zitterte. Und dann war der Spuk vorbei. Die Schwärze zog sich zurück. Fast war sie bereit zu glauben, sich alles nur eingebildet zu haben.
    „Ich habe eher den Eindruck, als wärst du derjenige, der nicht er selbst ist.“ Die Worte waren heraus, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Sie wollte nicht mit ihm reden, wollte nichts über diesen Menschen erfahren.
    „Es ist … ich hielt es für eine gute Idee, mir die Energie eines anderen anzueignen. Leider stellt sich heraus, dass ich nicht so gut damit umgehen kann, wie ich dachte.“
    „Es soll Menschen geben, die aus ihren Fehlern lernen. Vielleicht gehörst du ja dazu. Aber, wenn ich ehrlich bin, interessiert mich das nicht. Wie ich schon sagte, ich will von hier weg.“
    „Das ist schade, denn es geht nicht. Ich glaube, ich habe das bereits erwähnt.“
    Wut überschwemmte sie erneut mit einer Heftigkeit, die sie erschreckte. Wie eine Welle brach die Emotion über Sariel herein. Ohne darüber nachzudenken, lenkte sie diese Flut in Alexanders Richtung. Er taumelte zurück.
    Aber sie hatte ihn nicht berührt. Sie hatte nur diese seltsame Kraft benutzt.
    „Du bist
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