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Die schwarze Hostie

Die schwarze Hostie

Titel: Die schwarze Hostie
Autoren: Birgit Kluger
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überraschend. Er befand sich in seiner Zelle, dem winzigen Raum, aus dem er für kurze Zeit entkommen war. Sehr weit hatte ihn sein Fluchtversuch nicht gebracht.
    Die Nacht war die Hölle gewesen. Wortwörtlich. Halder hatte es geschafft, dass Alexander wünschte, nie geboren zu sein. In den hundert Jahren, die er auf der Erde war, hatte er nie solchen Schmerz erfahren. Nie eine solche Angst verspürt. Warum auch? Ein Ifrit zu sein, hatte viele Vorteile, und einer davon war, dass er seine körperliche Gestalt nach Wunsch verändern konnte. Krankheiten sind einem Ifrit fremd. Sobald ihn ein körperliches Unwohlsein beschlich, brauchte er nichts weiter zu tun, als sich in Rauch aufzulösen. Danach materialisierte er sich und setzte seinen Leib wieder in perfekter Harmonie zusammen.
    Zum ersten Mal in seinem Leben war dies nicht möglich. Halders Gift hatte ihn dieser Fähigkeit beraubt. Der Banker hatte es langsam injiziert. Jeder Tropfen hatte geschmerzt.
    „Das wird Ihnen für einige Zeit die Lust nehmen, sich unsichtbar zu machen oder in Rauch aufzulösen. So leid es mir tut.“
    Die Worte hallten in seinem Kopf wider. Der Spott hinterließ einen bitteren Nachgeschmack. Und noch etwas. Hass.
    Er würde Halder umbringen.
    Die Gewissheit nahm etwas von dem Schmerz, den das Gift hinterlassen hatte. Er wusste nicht, wie er es schaffen würde, aber die Machtdemonstration, die seinen Willen brechen sollte, hatte das Gegenteil bewirkt. Anstatt Alexander zu zerstören, hatte der Banker erreicht, dass der Ifrit fokussierter war als jemals zuvor.
    Er war zu schwach, um mehr als seine Augen zu bewegen, aber das reichte aus, um seine Zelle erneut in Augenschein zu nehmen. Nichts hatte sich verändert. Noch immer befand er sich in dem kleinen Raum, der von Betonwänden umgeben war. Kein Fenster unterbrach die glatte Oberfläche der Mauern. Selbst die Tür ihm gegenüber schien in das Gemäuer eingefügt zu sein, mit ihm zu verschmelzen. Kein Lichtstrahl drang hinein. Es gab keine Spalten, keine Risse im Mauerwerk, nichts als die kalte, glatte Betonoberfläche.
    Mit einem Seufzen schloss er die Augen, konzentrierte sich darauf, seine Umgebung mit den Sinnen abzutasten. Und dann endlich entdeckte er etwas, was ihm zuvor entgangen war. Energiefäden durchzogen den Raum. Manche waren mehrere Jahrzehnte alt, andere nur einige Stunden. Viele der Energielinien stammten von Halders Opfern. Seelen, die er ebenso wie Alexander gefoltert hatte. Ihre Überreste sprachen eine deutliche und zugleich erschreckende Sprache. Die letzte Nacht war angenehm im Vergleich zu dem gewesen, was die Zukunft für Alexander bereithielt.
    Die jüngeren Energiestränge stammten von Halder. Sie durchzogen den Raum wie ein Spinnennetz. Einen Fluch auf den Lippen, schloss Alexander die Augen. Kein Wunder, dass er nicht weiter als Halders Arbeitszimmer gekommen war. Der Banker wusste genau, was er vorhatte. Und nicht nur das, seine Energie sorgte dafür, dass Alexander seine Kräfte nicht nutzen konnte.
    Ein raffiniertes Konzept. Aber Halder hatte den gleichen Fehler begangen wie Alexander: Er war in seiner Machtbesessenheit unvorsichtig geworden.
    Ein Lächeln stahl sich auf Alexanders Lippen. Die Bilanz war ausgeglichen, nur wusste Halder noch nichts davon.
    Zwei Fehler. Ein dritter würde Alexander nicht unterlaufen.
    Sariel!
    Ihr Name war nur ein Flüstern auf seinen Lippen, aber es reichte. Wie schon zuvor öffnete sich Torsten Halders Bewusstsein. Seine Gedanken. Die Schaltzentrale seiner Macht.
    Das schwarze Pulsieren in der Mitte wies ihm den Weg. Alexander lenkte seine Energie darauf zu. Er hatte nur wenige Sekunden, um sein Vorhaben auszuführen, aber er konnte sich keinen Fehler erlauben.
    Langsam also.
    Und dann war er dort. Inmitten des dunklen Mahlstroms, der Halders gesamtes Wesen durchdrang. Eine unglaubliche Machtkonzentration. Und, was noch wichtiger war, Energie. Genau das, was er brauchte, um zu überleben und den Banker zu töten. Ein Lächeln breitete sich auf Alexanders Gesicht aus. Die Vorstellung, Halder mit seiner eigenen Kraft zu vernichten, war ein berauschender Gedanke. Er konnte bereits fühlen, wie dessen Energie in seinen eigenen Adern pulsierte, sich über seinen Körper ausbreitete. Er durfte nur eines nicht vergessen: Halders Energie war gefährlich, denn von nun an würden dessen Machtgier, die Skrupellosigkeit und sein Fokus auf die Herstellung der schwarzen Hostie, ebenfalls ein Teil von Alexander sein. Ein Teil seines
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