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Die Schule der Nacht

Die Schule der Nacht

Titel: Die Schule der Nacht
Autoren: James Mia
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ablaufen würde: Während alle anderen in Ferraris abgesetzt werden würden, würde sie in ihren Turnschuhen angetrottet kommen. Genau das war das Problem und der Grund für den Streit eine Etage tiefer: Ravenwood war eine teure Schule, und in Anbetracht ihrer heiklen finanziellen Lage würden ihre Eltern sich schwertun, die hohen Schulgebühren zu finanzieren. Aprils Großvater mütterlicherseits, der ein stattliches Anwesen in Covent Garden besaß und seine eigene Tochter an die besten Schulen des Landes geschickt hatte, hatte ihnen angeboten, für die Gebühren aufzukommen, was William jedoch entschieden abgelehnt hatte und seitdem immer wieder Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen zwischen ihren Eltern war. April wusste natürlich ganz genau, weshalb Silvia alles andere als glücklich über die Entscheidung ihres Mannes war. Ironie des Schicksals: Endlich hätte sie die Gelegenheit gehabt, in London bis zum Umfallen ihrer Shoppingleidenschaft zu frönen, würde es sich aber wegen der schwindelerregend hohen Schulgebühren nicht leisten können.
    April stellte sich seufzend ans Fenster und sah hinaus. Der Regen hatte mittlerweile nachgelassen, und der Mond leuchtete auf die nass schimmernden Dachziegel. Sie sah, dass sich die seltsame Wetterfahne auf der Kirchturmspitze immer noch ruckartig im Wind hin und her bewegte.
    »Ruhig, Füchschen«, flüsterte sie.
    Links konnte sie über den Platz auf die dahinterliegende Hauptstraße sehen. Wenn die dunklen Wolken nicht wären, könnte es hier sogar ganz hübsch sein, dachte April, als sie plötzlich etwas in dem kleinen Park bemerkte – drei dunkle Gestalten, die unter den hohen Bäumen entlangschlenderten und sich dann auf eine Bank setzten. April kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Das waren eindeutig zwei Jungs und ein Mädchen. Ihr Herz machte einen Sprung: Jugendliche! Sie schienen ungefähr in ihrem Alter zu sein, obwohl sie es aus der Entfernung nicht mit absoluter Sicherheit sagen konnte. Aufgeregt griff sie nach ihrem Handy und stürmte nach unten.
    Das Wohnzimmer war wie verwandelt. Im Kamin prasselte ein behagliches Feuer, und überall im Raum waren dicke, flackernde Kirchenkerzen verteilt. Der Raum wirkte auf einmal warm und gemütlich, genau wie ihr Vater es versprochen hatte. Er selbst hatte es sich bereits, umringt von Unterlagen und aufgeschlagenen Büchern, in einem Sessel vor dem Kamin bequem gemacht und hackte mit verbissenem Gesichtsausdruck auf die Tastatur seines Laptops ein. Es überraschte April nicht, ihren Vater schon wieder in seine Arbeit vertieft zu sehen, nachdem sie gerade erst in das neue Haus eingezogen waren und er sich heftig mit ihrer Mutter gestritten hatte. Ihr Vater ließ sich durch nichts von seiner Arbeit abhalten. So lange April zurückdenken konnte, hatte er immer irgendetwas getippt oder recherchiert, war in ein Buch oder die Zeitung vertieft gewesen oder hatte Fragen ins Telefon gebellt. Als sie jetzt so darüber nachdachte, fiel ihr auf, dass sie ihn eigentlich niemals schlafend gesehen hatte. Wenn er nicht gerade für die Zeitung an einer Enthüllungsstory über korrupte Politiker oder irgendeinen Arzneimittelherstellerskandal arbeitete, schrieb er wie ein Besessener schwer verdauliche und ebenso schwer verkäufliche Sachbücher, für die sich, wenn überhaupt, nur Verschwörungstheoretiker und kauzige Professoren interessierten. Soweit April wusste, lieferte er darin hochspezifische wissenschaftliche Erklärungen für Geister, Ufos und die Existenz des Yetis. So etwas in der Art jedenfalls. April interessierte sich mehr für leichte Mädchenbücher.
    »Ich schau mich draußen mal ein bisschen um«, verkündete sie, während sie sich ihren Lieblingsmantel überzog.
    Ihr Vater blickte von seinem Laptop auf. »Da hat es aber jemand ganz schön eilig. Hat sich angehört, als hättest du beim Runterrennen immer drei Stufen auf einmal genommen.«
    »Ich hab von meinem Fenster aus Anzeichen von menschlichem Leben entdeckt.« Sie lächelte.
    »Könntest du unterwegs einen Brief für mich einwerfen?«, bat er sie und griff nach der abgewetzten Lederaktentasche neben seinem Sessel.
    Sie konnte sich ein gerührtes Lächeln nicht verkneifen, als sie beobachtete, wie er einen dicken Stapel von Unterlagen herauszerrte und sie unordentlich vor sich auf dem Boden ausbreitete, um nach dem Brief zu suchen. Obwohl ihr der Gedanke fast ein bisschen unangenehm war, musste sie zugeben, dass ihr Vater ein gut aussehender
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