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Die Schule der Nacht

Die Schule der Nacht

Titel: Die Schule der Nacht
Autoren: James Mia
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suchte ungeduldig die Geschirrschränke ab.
    »Ich schau mich ein bisschen um, okay?«, sagte April, die genau wusste, dass ihre Mutter ihr sowieso nicht zuhörte. »Vielleicht werfe ich mir ein paar Ecstasy-Pillen ein oder geh in den Keller und lasse mich von einem Axtmörder zerstückeln, in Ordnung?«
    Silvia wedelte zerstreut mit der Hand. »Das klingt doch gut, Schatz, mach das.«
    Einen Axtmörder fand April zwar nicht, dafür aber jede Menge heruntergewohnte Zimmer und knarrende Treppen. Ihr Vater hatte die Kartons mit ihren Sachen in einen kleinen Raum unterm Dach bringen lassen und sogar das Bett frisch bezogen, auf dem eine Tagesdecke lag, die er offenbar extra neu gekauft hatte. Wirklich sehr heimelig , dachte sie. Sie stellte sich ans Fenster und blickte missmutig über die Dächer nach draußen in den Regen, dann setzte sie sich im Schneidersitz aufs Bett und rief ihre beste Freundin Fiona an.
    »Hi, Fee hier. Bitte nach dem Piepston – blablabla. Ihr wisst schon, was zu tun ist…«, sprang die Mailbox an. April war zwar enttäuscht, sich nicht bei Fiona über ihr neues Zuhause ausheulen zu können, musste jedoch beim Klang ihrer fröhlichen Stimme, die sich immer ein wenig atemlos anhörte, unwillkürlich lächeln. Fiona Donald – »ein altehrwürdiger schottischer Name«, wie sie gern, von Würgegeräuschen begleitet, betonte – hatte sie davor bewahrt durchzudrehen, als sie vor fünf Jahren an die St. Geoffrey’s School gekommen und nebeneinandergesetzt worden waren. »Stell dir bloß mal vor, wie schrecklich unser Leben gewesen wäre, wenn sie uns damals nicht in alphabetischer Reihenfolge gesetzt hätten«, hatte Fee noch bei ihrer Abreise nach Highgate gesagt. Ohne diese Laune des Schicksals, die sie zusammengeführt hatte, hätten sie womöglich nie festgestellt, dass sie beide eine Schwäche für seichten Mainstream-Pop hatten und sich überhaupt in jeder Beziehung bestens verstanden. Von da an hatten sie sich in allen Lebenslagen unterstützt, ob es nun missglückte Haarfärbeexperimente oder unglückliche, zum Scheitern verurteilte Schwärmereien für irgendwelche Jungs waren. April konnte sich ein Leben ohne ihre beste Freundin gar nicht vorstellen. Aber von jetzt an würde sie alleine klarkommen müssen.
    »Hey, Süße«, hinterließ sie ihr eine Nachricht auf der Mailbox. »Sind grade angekommen. Es gießt in Strömen, und ich bin hier anscheinend im Rentnerparadies gelandet. Das bringt es wohl so ungefähr auf den Punkt. Meld dich bitte, sobald du kannst, ja? Ich brauch dringend ein bisschen Aufmunterung!«
    Sie klappte das Handy zu, legte sich aufs Bett und starrte an die Decke. Von unten drangen zornige Stimmen zu ihr herauf – mal ganz was Neues. »Warum hast du sein Angebot nicht angenommen?«, rief ihre Mutter gerade. »Er versucht doch nur, uns zu helfen.« Woraufhin ihr Vater entgegnete: »Herrgott, Silvia! Ist es vielleicht ein Verbrechen, dass ich selbst für meine Familie sorgen will?«
    April wusste genau, worum es bei der Auseinandersetzung ging. Morgen würde ihr erster Schultag an der Ravenwood School sein. Man hatte ihr noch nicht einmal einen einzigen freien Tag zugestanden, um ihre Sachen auszupacken und sich ein bisschen in der neuen Umgebung einzugewöhnen. Das wenige, was sie über ihre neue Schule wusste, hörte sich nicht besonders vielversprechend an. Die Schüler waren anscheinend alle entweder junge Genies und Nachwuchswissenschaftler oder Sprösslinge aus den wohlhabendsten Familien Londons, die dort aufgenommen worden waren, weil sie entweder ihr ganzes Leben lang von Nachhilfelehrern gefördert worden waren oder weil ihre Daddys tief in ihre Brieftaschen gegriffen hatten. April vermutete, dass sie selbst nur deswegen an der Schule aufgenommen worden war, weil ihr Vater seine Beziehungen hatte spielen lassen. Das allein hätte schon gereicht, um sie einzuschüchtern, aber der Anblick des Schulgebäudes, an dem sie vorhin auf dem Weg hierher vorbeigefahren waren, hatte ihr auch noch den letzten Rest von Mut genommen. Das riesige düstere Ungetüm im neogotischen Stil, das am Rande von Hampstead Heath lag, war vor ein paar hundert Jahren wohl einmal ein bedeutendes Herrenhaus gewesen und sah so gruselig aus, als würde es noch immer von seinen ursprünglichen Besitzern heimgesucht. Dabei war es noch nicht einmal die unheimliche Atmosphäre, die April zu schaffen machte, sondern die Schüler. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie ihr erster Schultag morgen
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