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Die Schule der Nacht

Die Schule der Nacht

Titel: Die Schule der Nacht
Autoren: James Mia
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Mann war. Alle Freundinnen ihrer Mutter schwärmten heimlich für ihn. Und April war sich sicher, dass auch ihre Mutter sich in erster Linie von seinem Aussehen angezogen gefühlt hatte – jedenfalls konnte sie sich nicht anders erklären, warum sie ihn geheiratet hatte. Silvia war eine klassische höhere Tochter, durch und durch versnobt und oberflächlich, während William ein ganz in seiner Arbeit aufgehender, zynischer und chaotischer Akademiker war, in dessen Brust ein großes, weiches Herz schlug. Wer es so lange mit Silvia aushielt, musste ein riesengroßes Herz haben. Und obwohl April alles andere als glücklich darüber war, dass sie hierhergezogen waren, wusste sie, dass ihr Vater am meisten von ihnen allen darunter litt, den Job verloren zu haben, den er liebte, und dazu gezwungen zu sein, noch einmal ganz von vorn anzufangen. Wahrlich kein leichtes Unterfangen, mit einem launischen Teenager als Tochter und einer an allem herumnörgelnden Ehefrau im Rücken.
    »Danke, Dad«, sagte sie, als er ihr den zerknitterten Umschlag reichte.
    Er neigte den Kopf und sah sie verwundert an. »Für den Brief?«
    April grinste. »Genau… für den Brief.«
    Als sie aus der Tür trat und zum Eingangstor hinunterlief, blies ihr ein kräftiger Wind die Haare ins Gesicht. Sie strich sie sich hinters Ohr, blickte auf – und da sah sie ihn. Einen großen dunkelhaarigen Jungen, der auf der anderen Straßenseite stand und sie anstarrte.
    Wow, dachte sie aufgeregt und gleichzeitig nervös. Er war schlank, trug dunkle Jeans und eine marineblaue Cabanjacke und wirkte, als wäre er geradewegs einem Abercrombie-&-Fitch-Werbeplakat entsprungen. In diesem Moment wurden seine Haare vom Wind aus der Stirn geweht, sodass sie in seine tief liegenden schwarzen Augen sehen konnte. Für den Bruchteil einer Sekunde schien etwas darin aufzuflackern: Wiedererkennen vielleicht… oder Überraschung? Sie sah ihn an und war wie gebannt von seinen Augen, die so dunkel und brennend waren, dass sie kurz darauf den Blick abwenden musste.
    Wer war der Typ? Gehörte er zu der Gruppe, die sie vorhin auf der Bank im Park beobachtet hatte? Und warum starrte er sie so an?
    »April?«
    Sie fuhr herum und sah ihre Mutter mit verschränkten Armen in der Tür stehen. Silvia hatte sich umgezogen und trug jetzt eine helle Röhrenjeans und einen dicken cremefarbenen Kaschmirpullover – ein absolut ungeeignetes Outfit, um Umzugskisten auszupacken. »Würdest du mir bitte erklären, wo du jetzt noch hinwillst?«
    April winkte mit dem Umschlag. »Dad hat mich gebeten, diesen Brief einzuwerfen.«
    »Du kommst sofort wieder rein!«, zischte Silvia. »Morgen ist ein wichtiger Tag für dich.«
    April warf ihr einen wütenden Blick zu. Warum musste sie sich immer in alles einmischen? Herrgott, sie wollte doch bloß einen kleinen Spaziergang machen.
    »Mu-um…«, protestierte sie.
    »Sofort, habe ich gesagt!« Ihre Mutter kam ein paar Schritte auf sie zu.
    April sah noch einmal zur anderen Straßenseite hinüber. Der Junge war verschwunden, und der Platz wirkte so leer, als wäre nie jemand dort gewesen. Widerstrebend ging April den kleinen Pfad zurück.
    »Was hast du denn?«, fragte sie genervt, als sie an der Tür ankam. »Warum darf ich nicht raus?«
    Ihre Mutter sah über ihren Kopf hinweg zu der Stelle, wo der Junge gestanden hatte, und blickte dann rechts und links die Straße hinunter.
    »Das kann ich dir gerne sagen«, antwortete sie und zog April ins Haus. »Hier in der Gegend hat es einen Mord gegeben.«

Zweites Kapitel

    W eißt du was über diesen Mord, Dad?«
    April sah ihren Vater, der gerade in die Küche kam, erwartungsvoll an und schob sich die letzte Ecke ihres Toasts in den Mund. Es war Montagmorgen, halb neun, und ihre Mutter stand an der Tür und klimperte ungeduldig mit dem Autoschlüssel.
    »Pass auf, was du sagst, sonst schreibt er gleich einen Artikel darüber«, sagte Silvia und warf ihrem Mann einen boshaften Blick zu. »Wenn ich dich zur Schule mitnehmen soll, müssen wir in ungefähr dreißig Sekunden los.«
    Ja, ja, keine Panik. Ich hab’s nicht eilig, an dieser dämlichen Freak-Schule anzufangen , dachte April. Sie wäre liebend gern noch ein bisschen sitzen geblieben, um sich eine spannende Horrorgeschichte über einen Mordfall in der Gegend anzuhören. Als Silvia sie gestern Abend ins Haus gezogen hatte, hatte sie nur vage irgendetwas über eine »Meldung in den Nachrichten« und »gefährliche Gegend« gemurmelt und sie dann zum
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