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Die Schuld einer Mutter

Die Schuld einer Mutter

Titel: Die Schuld einer Mutter
Autoren: Paula Daly
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hätte meine Geschichte angezweifelt, aber nicht du. Ich wusste, du würdest sofort alle Schuld auf dich nehmen … du mit deiner ständigen Zeitnot, wo du es doch kaum schaffst, dich auf deine täglichen Aufgaben zu konzentrieren.«
    Ich sehe an ihr vorbei zu Lucinda hinüber, die am Saum ihres Kapuzenpullovers nestelt. »Du weißt hoffentlich, dass deine Mutter gestört ist?«
    »Lisa«, sagt Kate in strengem Ton. »Achte bitte auf deine Wortwahl.«
    »Du weißt, dass sie verrückt ist?«
    Lucinda schaut angestrengt beiseite.
    »Wer ist irre genug, sein eigenes Kind zu entführen?«, schreie ich die beiden an.
    Kate hebt ihre Hände. »Eine Frau, die verzweifelt versucht, ihre Ehe zu retten«, antwortet sie ernst.
    »Und du hast mitgespielt?«, keife ich Lucinda an. »Du hast einfach mitgemacht!«
    »Ich habe es gemacht, damit Daddy wieder nach Hause kommt.«
    »Wo war er denn?«
    »Daddy hat eine andere Familie«, sagt Lucinda, »wir sind alle so traurig deswegen. Wir dachten, wenn wir ihm nur zeigen, was er an uns hat, kommt er zurück.«
    »Was für eine Familie?«, frage ich bestürzt. »Eine andere Familie?«
    Keine der beiden antwortet, deswegen wende ich mich an Kate. »Das hier fällt unter Kindesmissbrauch. Sieh dir mal an, was du ihr angetan hast. Sie hält das für normal.«
    »Sie will, dass ihr Vater nach Hause zurückkommt – was ist daran falsch?«
    »Was daran falsch sein soll? Sie werden dich dafür einsperren, sodass sie am Ende weder Mutter noch Vater hat. Und warum redet sie so komisch? So langsam? Hast du ihr irgendwelche Tabletten gegeben?«
    »Lisa, beruhige dich. Ich sehe, wie wütend du bist. Ich kann das verstehen, ich an deiner Stelle wäre auch wütend. Aber wir hatten einfach keine Wahl. Wir wollten ihn überzeugen, bei uns zu bleiben, und er wollte nicht.«
    Ich kann nicht fassen, was sie da sagt. Ich kann nicht glauben, dass sie es wirklich inszeniert hat.
    »Wie konntest du nur?«, frage ich verwirrt. »Wie konntest du weinend vor mir stehen und zulassen, dass ich dich um Vergebung anflehe, wo du doch wusstest, dass alles ganz anders ist?«
    Sie zuckt mit den Achseln, als hätte sie keine andere Wahl gehabt. Sie hat nur getan, was sie tun musste.
    »Wir waren Freundinnen«, sage ich, aber sie wendet sich ab.
    Ich muss an Sally denken, die durch die Hölle ging, weil sie sich für Lucindas Verschwinden verantwortlich fühlte.
    Ich muss an die Schuldgefühle denken, die sie und mich gequält haben, weil wir dachten, einen riesigen Fehler begangen zu haben. Einen Fehler, den es gar nicht gab. Wir beide haben uns gefühlt wie die letzten Versagerinnen – ich als Mutter, Sally als beste Freundin.
    Auf einmal sehe ich mich mit ihren Augen. Ich sehe, wie leicht es ihr gefallen sein muss, mir die Sache anzuhängen. Denn natürlich hat sie recht. Natürlich habe ich nichts hinterfragt. Natürlich habe ich die Schuld allein bei mir gesucht. Die Frau, die immer unter Zeitdruck steht, die sich nie gut genug fühlt, immer ein wenig hinter den Erwartungen zurückbleibt. Diese Frau ist leichte Beute.
    Ich sehe Kate an, voller Verbitterung darüber, meine Familie nicht besser geschützt zu haben. Auf einmal kommt mir ein Gedanke: »Und wie hättest du ihre Rückkehr organisiert?«, frage ich. »Da draußen sind immer noch die Suchtrupps der Polizei unterwegs. Wie hättest du es angestellt? Hättest du sie ins Haus geschmuggelt und so getan, als wäre nichts passiert?«
    »Lisa, warum legst du nicht das Messer weg, damit wir in Ruhe reden können?«
    »Du kannst mich mal.«
    Auf einmal meldet sich Lucinda vom Sofa aus zu Wort. »Ich hätte einfach gesagt, ich wäre von zu Hause ausgerissen.«
    »Und wohin?«
    »Hierher«, sagt Kate. »Lucinda kennt dieses Haus. Sie war oft mit Guy und mir hier, wenn wir nach den Immobilien sehen. Sie hätte in den Bus springen und unbemerkt herkommen können … wenn sie gewusst hätte, wo wir die Schlüssel zu den Häusern aufbewahren. Was sie natürlich weiß. Sie hängen an Haken in Guys Büro. Zurzeit stehen mehr als zehn Häuser leer; zu dieser Jahreszeit würde er es nicht einmal bemerken, wenn ein Schlüsselbund fehlt.«
    »Ja, sicher war er mit anderen Dingen abgelenkt«, sage ich in sarkastischem Tonfall, »zum Beispiel, dass seine Tochter vermisst wird, und dass seine Frau …« Ich spreche den Satz nicht zu Ende.
    Ich studiere Kates Gesicht und frage: »Was war mit den Tabletten? Warum hast du das getan? Welche Mutter würde ihre Kinder im Stich lassen
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