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Die Schuld einer Mutter

Die Schuld einer Mutter

Titel: Die Schuld einer Mutter
Autoren: Paula Daly
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Sicherheit.
    Dann beobachte ich Kate, und das Blut gefriert mir in den Adern.
    Ich weiche vom Fenster zurück und stelle mich wieder vor die Tür. Vorsichtig drücke ich auf die Klinke.
    Abgeschlossen.
    Mein Atem geht stoßweise. Ich versuche, mich zu beruhigen, aber als ich die letzten vier Tage Revue passieren lasse, wächst meine Wut. Ich fühle mich wie die Idiotin, zu der Kate mich gemacht hat. Ich sollte endlich zu denken aufhören und irgendetwas tun .
    Ich gehe um das Haus herum und versuche die Gartenpforte. Sie ist nicht verschlossen. Langsam und lautlos öffne ich sie.
    Jetzt stehe ich im Garten. Er ist größtenteils gepflastert, weil das pflegeleichter ist, nur hier und da steht ein Blumentopf. Der Grill in der Ecke ist für den Winter abgedeckt, daneben steht eine Gartenbank in jener albernen Eierschalenfarbe, die so typisch für Kate ist. Das ist ihr Markenzeichen. Wenn sie könnte, würde sie einfach alles in dieser Farbe streichen.
    Die Hintertür des Hauses ist in der Mitte horizontal geteilt wie eine Stalltür. Sie ist nicht abgeschlossen, also trete ich langsam ein und sehe mich staunend in der Küche um. Auf der Arbeitsplatte liegt ein frisch gekauftes Baguette. Kate muss es auf dem Weg hierher bei der Bäckerei geholt haben. Der Duft erfüllt die ganze Küche. Das ist ihr Mittagessen für später, wenn sie den Weihnachtsbaum geschmückt haben, und ich sehe vor mir, wie sie beide, Mutter und Tochter, die besten Freundinnen, wie Kate immer betont hat, einträchtig beisammensitzen und essen.
    Ich höre Stimmen. Ich kann die Worte nicht verstehen, aber der Tonfall ist beschwingt, glücklich, normal. Der Hass, den ich auf einmal empfinde, lähmt mich fast.
    Neben dem Baguette liegt ein Brotmesser. Ich nehme es in die Hand. Es fühlt sich ganz leicht an. Es ist billig. Ein Messer von der Art, wie man sie bei Poundstretcher oder im B&M-Schnäppchenmarkt kaufen kann, wenn man zu geizig ist, Geld auszugeben für Gegenstände, die man selber nicht benutzt. Ich fuchtele damit in der Luft herum. Für einen Moment bin ich hier die Irre. Die Verrückte, die gekommen ist, um Rache zu üben.
    Für eine Sekunde schließe ich die Augen und fasse mich, dann höre ich, wie sich hinter der Tür zum Wohnzimmer etwas regt. Ich durchschreite die Küche und stoße sie auf.
    Kate steht am anderen Ende des Raumes. Sie sagt kein Wort, als sie mich entdeckt. Sie starrt mir nur ins Gesicht.
    Sie hat nichts mehr mit der geisterhaften Erscheinung der letzten Tage gemein. Sie wirkt so gesund und munter wie immer, und ich frage mich, wie das sein kann. Wie kann man diese Art von Kummer schauspielern?
    Als sie das Messer in meiner Hand entdeckt, fängt sie an zu blinzeln.
    Lucinda hat immer noch nichts gemerkt. Sie steht mit dem Rücken zu uns, hängt Weihnachtskugeln in den Baum und plaudert dabei mit ihrer Mutter. Ihre Bewegungen wirken irgendwie träge, ihre Sprechweise ist schleppend.
    Sie trägt einen Kapuzenpullover und eine rosa Jogginghose. Ihr akkurat geschnittenes, kinnlanges Haar schwingt um ihr Gesicht, wenn sie sich vorbeugt.
    Kate spricht, ohne sich zu ihrer Tochter umzudrehen. Sie nimmt den Blick nicht vom Messer. »Lucinda, setz dich aufs Sofa, Schätzchen.«
    Lucinda dreht sich um, und als sie mich in der Tür stehen sieht, klappt ihr die Kinnlade herunter.
    Ich funkle sie böse an.
    »Hat deine Mutter dir erzählt, dass man mir die Schuld an deinem Verschwinden gibt?«
    Anstatt zu antworten, wirft Lucinda ihrer Mutter einen unsicheren Blick zu.
    »Hat sie es dir erzählt?«, frage ich.
    Lucinda nickt. Ihr Gesichtsausdruck verrät ihre Angst, aber ihre Augen sind leer und glasig. Offenbar ist sie nicht ganz da.
    Kate versucht, einen Schritt auf mich zuzumachen, aber ich hebe das Messer. »Vergiss es«, warne ich sie, und sie weicht zurück.
    Ich zittere am ganzen Leib. Ich merke, dass ich zittere, aber ich kann nicht anders. Eines ist mir klar: Wenn ich diese Frau nicht aufhalte, wird sie noch andere Leben zerstören. Ich strecke den Arm vor und schwenke das Messer wie eine Machete.
    »Lisa«, sagt Kate, »was tust du da?«
    Ich lache. »Warum ich?«, frage ich. »Warum tust du ausgerechnet mir das an?«
    Sie schweigt. Starrt immer noch auf das Messer.
    »Antworte mir!«
    »Weil ich wusste, du würdest dir die Schuld geben. Ich wusste, du würdest dir die Schuld geben, und ich …« Sie bricht ab und lächelt verträumt in meine Richtung.
    »Und?«
    »Jede andere hätte sich gewehrt«, sagt sie. »Jede andere
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