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Die Schuld einer Mutter

Die Schuld einer Mutter

Titel: Die Schuld einer Mutter
Autoren: Paula Daly
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sanft, fast traurig, »wir haben den Hund. Den Hund, den Sie benutzt haben, um das letzte Opfer anzulocken. Wir haben ihn gefunden. Und raten Sie mal … er ist das süßeste Beweisstück, das man sich vorstellen kann.«
    Joanne hält die Handgelenke unter kaltes Wasser und wäscht sich das Gesicht. Ihre Wangen sind dunkelrot, die Bluse klebt ihr am Leib. Sie zieht ein paar Papiertücher aus dem Spender an der Wand und befeuchtet sie, um sich Nacken und Dekolleté abzuwischen. Bald ist es geschafft, sagt sie sich. Bald.
    McAleese, der das Verhör im Nebenraum auf einem Bildschirm verfolgt, hat eine Pause angeordnet. Mervyn hat um ein Gespräch unter vier Augen mit seinem Anwalt gebeten, und McAleese hat es ihm gestattet. Er hat das Gefühl, dass Mervyn nach der Pause einen anderen Ton anschlagen wird, aber Joanne ist sich da nicht so sicher. Ihrer Meinung nach wird er das Theater durchziehen bis zum bitteren Ende. Er ist der geborene Lügner. Sie kann sich nicht erinnern, einem wie ihm schon jemals begegnet zu sein. Er scheint selber zu glauben, was er sagt. Er ist vermutlich einer von diesen Leuten, von denen sie gerüchteweise gehört hat, die einen Lügendetektortest überstehen.
    Das Team kommt noch einmal kurz im Besprechungsraum zusammen, bevor Joanne und McAleese wieder in den Zellentrakt gehen, um Mervyn für Runde zwei abzuholen.
    Der wachhabende Polizist öffnet die Tür, und Joannes erster Blick fällt auf Mervyns Nadelstreifenhose. Und seinen nackten Oberkörper. Sein aschfahles Gesicht ist ihnen zugekehrt, denn er hängt an seinem Hemd von den Gitterstäben des Zellenfensters.
    Joanne stürzt in den Raum.
    Er ist schon blau angelaufen, aber sie packt ihn, sie umschlingt seine Hüfte und stemmt ihn mit aller Kraft in die Höhe.
    »Scheiße«, hört sie jemanden sagen, aber sie achtet nicht darauf, denn sie hat nur ein Ziel: dieses Schwein in die Luft zu heben, so lange sie kann.
    Joanne wird nicht zulassen, dass er stirbt. Sie denkt an Molly Riggs verzweifeltes Gesicht und schickt all ihre Kraft in ihre Arme. Sie wird es nicht zulassen.
    Sein Gewicht hat den Knoten zugezogen. Sein Körper fängt an zu zucken, als McAleese den Stoff bearbeitet im verzweifelten Versuch, ihn loszuschneiden. Joanne spürt ein zweites Paar Arme, das sich um ihre legt, und Petersons Gewicht halbiert sich schlagartig.
    Sein Oberkörper klappt vor, als das Hemd von den Gitterstäben abgetrennt ist.
    Sein Oberkörper kippt, und Joanne torkelt rückwärts, zusammen mit dem Polizisten, und dann versuchen sie, Peterson nicht einfach fallen zu lassen, sondern vorsichtig am Boden abzulegen. »Rufen Sie einen Krankenwagen!«, schreit McAleese in den Flur hinaus.
    Joanne kniet nieder und legt ihre Finger an seinen Hals. »Er hat noch einen schwachen Puls, wir müssen den Stoff entfernen.« Der Rest des Hemdärmels sitzt immer noch fest an Mervyns Hals. Er hat die Schlinge mit seinem Körpergewicht zugezogen. Joanne versucht, ihre Finger darunterzuschieben, aber es passt nur einer durch.
    »Du liebe Güte«, sagt McAleese. »Wir werden das Dreckschwein verlieren. Joanne, beatmen Sie ihn!«
    Sie starrt McAleese entsetzt an und zögert, aber dann tut sie, was er befiehlt. Sie haben jetzt keine Zeit, eine Beatmungsmaske zu holen. Während sie Mervyn beatmet, säbelt McAleese mit seinem Schweizer Taschenmesser an der Stoffschlinge herum.
    Joanne wird übel, als sie Petersons Nase zuhält und ihren Mund auf seine Lippen drückt. Er schmeckt nach Kaffee. Süßlich. Die Erinnerung an die Fotos auf der Speicherkarte, die seine Frau ihr gegeben hat, kommen mit aller Wucht zurück.
    Einatmen. Ausatmen. Nackte Mädchenkörper. Einatmen. Ausatmen.
    Verdammt, sie sollte ihre Finger in seine Augenhöhle rammen und sein Gehirn zerstechen, anstatt Erste Hilfe zu leisten.
    Einatmen. Ausatmen.
    Einatmen.
    McAleese hat den Baumwollstoff durchschnitten und bittet Joanne aufzuhören. Die Farbe kehrt in Petersons Gesicht zurück.
    »Mal sehen, ob er Luft kriegt«, sagt McAleese, und dann sehen sie, wie Mervyns Brustkorb sich hebt und senkt.
    Sekunden später fangen seine Lider zu flattern an.
    McAleese signalisiert Joanne mit einem Blick, wachsam zu bleiben nur für den Fall, dass der Kerl auf sie losgeht.
    Er sagt: »Da haben wir doch tatsächlich kurz gedacht, Sie wären uns entwischt, Peterson.«
    Mervyn reißt die Augen auf. Er hat die Orientierung verloren. Vielleicht, denkt Joanne kurz, glaubt er sich im Himmel.
    »Wir dürfen doch nicht einfach
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