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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer
Autoren: Ann Benson
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jenem Tag stand von Anfang an unter einem schlechten Stern, so erzählte es mir zumindest Etienne später. Eins seiner Lieblingspferde hatte sich einen Knöchel verstaucht, und sein gewohnter Jagdaufseher litt unter la grippe und kam nicht lange genug von der Latrine herunter, um für seine Genesung zu beten, geschweige denn, um auf ein Pferd zu steigen und zur Jagd zu reiten. Diese grimmen Umstände, so glaubten wir später, waren ein Werk des Teufels. Er musste der Angreifer gewesen sein, ein gewisser streitlustiger Keiler: ein dickfelliges, von Narben übersätes Tier, das Guy de Laval unbedingt fangen wollte, da er ihm schon eine peinlich lange Zeit vergeblich nachjagte. Hätte Milord Guy sich nicht übermannen lassen von seinem Wunsch, einen enttäuschenden Tag zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, so hätte er wahrscheinlich nicht das getan, von dem sogar ein Jagdneuling weiß, dass man es nicht tun darf, nämlich sich ungeschützt den Hauern des Keilers zu stellen und so selbst zum Opfer zu werden.
    Seine zwei unglücklichen Jagdaufseher hatten ihn auf einer grob zusammengezimmerten Bahre über das unebene Gelände geschleppt, während er sich seine Eingeweide in den Bauch zurückdrückte. Er wollte einfach die Hände nicht von seinem Bauch nehmen. Wir konnten ihn nicht auf sein Pferd setzen … Seinen Anblick werde ich nie vergessen, den Schmerz und das Entsetzen auf seinem Gesicht, beides so fremd für einen tapferen Jäger, der unsere Tische immer so reich mit saftigen Schätzen belud. Wilde Gerüchte schossen ins Kraut, und es gab viel Schuld zu verteilen, doch niemanden, dem man sie eindeutig hätte aufladen können.
    Etienne, sagte ich, als der Klatsch am heftigsten wucherte, kann es stimmen, was die Leute sagen? Könnte Jean de Craon dies geplant haben?
    Es wäre dem rücksichtslosen und raffgierigen alten Mann durchaus zuzutrauen gewesen, dessen Tochter Marie nun mit ansehen musste, wie ihr Ehegatte starb. Ich hörte Dinge, die ich nicht glauben wollte, Getuschel von Verrat. Jean de Craon schmierte die Jagdaufseher mit einigen Goldstücken, und als der Augenblick günstig war, schauten sie weg …
    Gilles sollte also die ausgedehnten Güter seines Vaters erben, ausgenommen allerdings die Besitztümer, die seine Mutter mit in die Ehe gebracht hatte, denn als Jean de Craons gehorsame Tochter tat sie nach dem Tod ihres Gatten mit ihrem Besitz, was ihr Vater von ihr verlangte. Milord Jean de Craon war ein grausamer Zuchtmeister, der wusste, dass er den unerfahrenen, jungen Gilles de Rais leichter würde kontrollieren können als dessen reifen und intelligenten Vater. Spekulationen, Gerüchte, Getuschel und Beschuldigungen machten die Runde; keiner von uns wusste, was er glauben sollte, nur dass die Macht in Champtocé bald in andere Hände übergehen würde, was für uns nichts Gutes bedeuten konnte.
    Es war schwer, nicht zu dem Schluss zu kommen, dass Jean de Craon beim Tod von Guy de Laval tatsächlich die Hand im Spiel gehabt hatte und dass im Herzen eines Mannes unerkannt alle nur denkbare Schlechtigkeit wohnen kann. Denn wie sonst hatten diese Jagdaufseher und Knappen, die seit Jahren tadellos ihren Dienst versehen hatten, plötzlich zu weit entfernt sein können, um ihm zu Hilfe zu eilen?
    Dennoch, das Tier war ein Dämon und musste gewusst haben, dass der Schmerz seiner alten Wunden ihm von Milord Guy zugefügt worden war.
    Als wäre es besessen von einem Dämon der schrecklichsten Art, stieß das Untier immer tiefer in Milord Guys Eingeweide und wühlte grausam mit seinen Hauern, so dass er große Teile seines Gedärms herauszog … die Milord Guy verzweifelt wieder hineinschob.
    Doch als der Keiler sein böses Werk vollendet hatte, so diese Zeugen, sei er einfach verschwunden.
    Obwohl ich viele Jahre später ebenfalls zusehen musste, wie mein Etienne starb, werde ich, das muss ich gestehen, das Grauen, an der Schwelle des Todes zu stehen, wohl erst begreifen, wenn meine Zeit ebenfalls gekommen ist. Mère de Dieu, das Zuschauen war entsetzlich genug. In den ersten beiden Tagen suchte Guy de Laval verzweifelt nach jemandem, der ihm helfen konnte, und sandte Reiter in alle Richtungen. Doch er, der so viel Macht, Reichtum und Einfluss hatte, fand niemanden, der ihm auch nur die geringste Hoffnung machen konnte, nicht für alles Gold in der Bretagne. Unsere wunderbare Hebamme gab ihm starke Betäubungsmittel, um die Schmerzen zu lindern, weigerte sich aber, ihm Lügen aufzutischen – er würde
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