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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer
Autoren: Ann Benson
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Sakramente wird hiermit verfügt, dass er gehängt bis zum Tode und dann verbrannt werden soll, dass aber sein Leichnam aus den Flammen geholt werden soll, bevor er gänzlich vernichtet ist, und dann in geheiligter Erde begraben werden soll.«
    Und damit hatte es den Anschein, als wäre nichts mehr zu tun. Doch Milord äußerte noch eine weitere Bitte. Er wandte sich direkt an Pierre l’Hôpital, der großen Einfluss auf Jean de Malestroit hatte. »So es den Richtern und Anklägern beliebe, ist es mein großer Wunsch und meine Hoffung, dass eine allgemeine Prozession veranstaltet werde, damit ich und meine Diener im Angesicht des Todes die Hoffnung auf Erlösung bewahren können.«
     
    Er trug keines seiner prächtigen Gewänder, die nun bald zusammen mit dem Rest seiner irdischen Habe unter den Bittstellern aufgeteilt werden würden, sondern eine schlichte graue Kutte aus Leinen mit einer Kordel um die Mitte. Er ging langsam, die Hände inbrünstig gefaltet, durch eine tausendköpfige Menge, die zusammengeströmt war, um ihn sterben zu sehen. Jean de Malestroit ging ein gutes Stück hinter seinem Gefangenen, und hinter ihm ich in Gesellschaft meines Sohnes Jean, der unaufhörlich betete, während wir zum Kirchplatz schritten, wo Galgen und Scheiterhaufen bereits errichtet waren. Die Menschen, die sich versammelt hatten, bekundeten eine Vielzahl von Gefühlen und Empfindungen gegenüber dem Mann, der ihre Kinder getötet hatte; einige verlangten, dass man ihn ausweide und ihm den Kopf abschneide, wie er es mit ihren Söhnen gemacht hatte; andere flehten für ihn um Gnade mit dem Argument, es sei doch sicherlich falsch, den Verlust eines Lebens mit dem Auslöschen eines anderen zu rächen. Eine Erklärung für das Verhalten der Menge gab es nicht; es war eine Art allgemeiner Wahnsinn, der sich je nach dem unerschütterlichen Glauben im Herzen jedes Einzelnen unterschiedlich äußerte.
    Vor den Augen seiner Diener Poitou und Henriet stieg Gilles de Rais aus eigener Kraft die Stufen zum Galgen hoch. Seine Knie waren gebeugt und zittrig, und da seine Hände auf den Rücken gefesselt waren, stolperte er einmal, was seine natürliche Anmut und Würde störte. Er schüttelte den Kopf, um jene abzuwehren, die ihm zu Hilfe eilen wollten. Unerklärliche Tränen strömten mir über die Wangen, während ich zusah, wie dieser Mann, der als Kleinkind so süß an meiner Brust gesaugt und als Knabe so grausam meinen Sohn getötet hatte, auf das Podest stieg und sich unter das Seil stellte. Kurz hob er den Kopf und betrachtete das Werkzeug seines Todes, zuckte aber nicht zusammen, als ihm die Schlinge um den Hals gelegt und festgezurrt wurde. Er hielt die Augen offen, als die Falltür des Galgens unter ihm wegkippte. Einige Augenblicke schwankte und zuckte er, fast so, als würde eine Windbö ihn erfassen. Vielleicht zerrte der Dämon Barron, der sich ihm so lange entzogen hatte, nun an seinen Füßen.
     
    Die Menge schwieg, bis sein Körper aufhörte zu zucken und völlig erschlaffte. Und dann erhoben sich Rufe und Triumphschreie, als wollten sie bis in den Himmel steigen. Der Scheiterhaufen unter ihm wurde entzündet, und Flammenzungen leckten an seinem schwankenden Leichnam. Als seine Kleidung lichterloh brannte, wurde Wasser auf die Flammen geschüttet, und sie verlöschten.
    Sein Leichnam wurde in einen Sarg gelegt und auf einem schlichten Karren durch die Straßen von Nantes gefahren. Das Wehklagen und die Hochrufe derjenigen, die an dieser makabren Prozession teilnahmen, konnten kaum auseinander gehalten werden, denn Trauernde und Feiernde schienen sich die Waage zu halten.
    Wie betäubt saß ich in dem Gottesdienst zum Andenken an Gilles de Rais, der in der Kirche von Notre Dame du Carmel am anderen Ende der Stadt abgehalten wurde. Dort wurde er auch in eine Gruft neben andere wichtige Personen gelegt, einige davon seine Vorfahren. Sicherlich waren sie alle auf dieser Erde bessere Menschen gewesen als er, vielleicht verdienten sie sogar die Gnade eines so ehrenvollen Grabes.
    Aber Gilles de Rais verdiente es nicht. Noch lange, nachdem die anderen gegangen waren, um zu feiern oder zu trauern, wie es ihnen beliebte, stand ich vor der Gruft und stellte mir vor, auf welche Art ich sie entweihen könnte. Dort fand mich schließlich Jean de Malestroit.
    »Ich habe etwas, das ich Euch geben muss«, sagte er.
    Ich kann nicht beschreiben, was ich empfand, als ich das Paket öffnete, das er mir in seinen Privatgemächern
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