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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer
Autoren: Ann Benson
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Mächtigeren vertrauen wollte. Er war so wenig geneigt, gegen seinen Großvater zu sprechen, wie Henriet geneigt war, gegen ihn, Gilles, zu sprechen.
    Sein ganzes Leben lang beteuerte Gilles, starke Erinnerungen an seine Mutter und seinen Vater zu haben, obwohl er vor ihrem Tod nur selten in ihrer Gesellschaft war. Er war noch so jung gewesen, als sie diese Erde verließen. Sie verwöhnten ihn schändlich, und mit dieser Maßlosigkeit wollten sie, so glaube ich, ihn für ihre häufige Abwesenheit entschädigen. Die Geschenke, die Geldbeträge, die Freizügigkeit – das alles ist für einen jungen Knaben sehr verlockend. Daran erinnerte er sich, nicht an die Tränen der Verlassenheit. Aber diese Reichtümer taten ihm nicht gut, dessen bin ich mir sicher.
     
    Am 25. Oktober zur Stunde der Terz erhob sich der Ankläger in der oberen Halle von La Tour Neuve und verlangte, dass das Verfahren zu einem Abschluss gebracht werde. Die Richter pflichteten ihm bei, dass es so geschehen solle.
    »Gilles de Rais«, sagte Jean de Malestroit.
    Zitternd und aschfahl im Gesicht stand Milord auf.
    »Wir befinden Euch schuldig des Vorwurfs der verräterischen Apostasie wie auch der abscheulichen Anrufung von Dämonen. Versteht Ihr diese Vorwürfe und unsere Entscheidungen?«
    Mit stiller Scham sagte er: »Ja, Euer Eminenz.«
    »Außerdem befinden wir Euch schuldig, das Verbrechen und das krankhafte Laster des widernatürlichen Verkehrs mit Kindern beiderlei Geschlechts begangen und böswillig vollzogen zu haben. Versteht er diese Vorwürfe und unsere Entscheidungen?«
    »Das tue ich, mein Herr Bischof. Möge Gott meiner Seele gnädig sein.«
    »Gilles de Rais, Ihr werdet hiermit aus der Katholischen Kirche ausgeschlossen, und es wird Euch verboten, die Sakramente zu empfangen.«
    Ich weiß nicht, warum ich so überrascht war; das war doch ohne Zweifel alles abgesprochen. Vielleicht hatte Jean de Malestroit auf dem kleinen Drama bestanden, das sich jetzt entwickelte, um den Schein zu wahren. Auf jeden Fall spielte Milord seine Rolle gut. Er fiel auf die Knie und bat tränenreich und stöhnend, man möge ihm gestatten, seine Sünden einem Priester zu beichten, damit er vor dem Tod die Absolution erhalte.
    Auch Jean de Malestroit spielte seine Rolle gut; er war der gestrenge Gnadenverweigerer, der unbeugsame und aufrechte Verteidiger des wahren Glaubens; zumindest lange genug, um die gewünschte Wirkung zu erzeugen. In einer großen Geste des Mitgefühls rief er Jean Jouvenal vom Karmeliterorden zu sich und hieß ihn, Milord die Beichte abzunehmen, die so leidenschaftlich und ernsthaft dargeboten wurde, dass Seine Eminenz gar keine andere Wahl hatte, als Gilles de Rais wieder in die Kirche aufzunehmen.
    Ich fragte mich noch einmal, welchen Schatz er angeboten hatte, um dies alles zu erreichen.
    Doch als die Nachricht davon die Zeltlager erreichte, gab es merkwürdigerweise nur wenig Enttäuschung; als mein Sohn und ich später an diesem Tag ziellos durch die Menge schlenderten, hörten wir nur sehr wenig Murren und viel Zustimmung. Auch diese erschöpften Menschen wollten verzweifelt an die Güte der ihnen Übergeordneten glauben.
     
    Am späten Nachmittag wurde Milord unter Bewachung in das nahe Schloss von Bouffray gebracht, wo er seine Beteiligung an dem Debakel in Saint-Etienne-de-Mer-Morte gestand. Pierre l’Hôpital richtete es so ein, dass er seine Strafe von fünfzigtausend écus an den Herzog der Bretagne mit einer Überschreibung eines seiner letzten verbliebenen Besitztümer bezahlen konnte. Nachdem dies erledigt war, blieb nichts mehr zu tun, als ihn zum Tode durch Erhängen und Verbrennen zu verurteilen. Dieses Urteil sollte bereits zur elften Stunde des nächsten Tages vollstreckt werden, ergo dem 26. Oktober.
    Und dann bat er öffentlich um die Nachsicht, der Jean de Malestroit bereits zugestimmt hatte: »Bitte, Monsieur le Président, ich bitte Euch, meinen Dienern Henriet und Poitou zu gestatten, vor ihrer Hinrichtung Zeuge meines Todes zu werden, damit sie auch wissen, dass ich bestraft wurde, und sie nicht mit der Ungewissheit sterben müssen, dass mir dieses Schicksal möglicherweise letztlich doch erspart blieb.«
    Dies wurde genehmigt. Danach wurde das Urteil des weltlichen Gerichts verkündet.
    »In Anbetracht des freiwilligen Geständnisses des Angeklagten bezüglich der Verbrechen, derer er angeklagt wurde, und im Einklang mit der Beichte seiner Sünden und der Wiedereinsetzung in die göttliche Gnade der
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