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MondSilberLicht

MondSilberLicht

Titel: MondSilberLicht
Autoren: Marah Woolf
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Man muss nie verzweifeln,
wenn etwas verloren geht,
ein Mensch oder eine Freude oder ein Glück;
es kommt alles noch herrlicher wieder.
Was abfallen muss, fällt ab;
Was zu uns gehört, bleibt bei uns,
denn es geht alles nach Gesetzen vor sich,
die größer als unsere Einsicht sind
und mit denen wir nur scheinbar im Widerspruch stehen.
Man muss in sich selber leben und an das ganze Leben denken,
an alle seine Millionen Möglichkeiten, Weiten, Zukünfte,
denen gegenüber es nichts Vergangenes und Verlorenes gibt.

Rainer Maria Rilke, 1904
 
 
Prolog

Das Wasser um mich herum schien dunkler und dunkler zu werden. Ich versuchte, mich hindurchzukämpfen, an die Oberfläche zu gelangen, aber es war, als würde ich mich keinen Zentimeter bewegen, egal, wie sehr ich auch mit den Armen ruderte und mit den Beinen strampelte. In der Ferne sah ich einen winzigen Lichtpunkt und versuchte verzweifelt, darauf zuzuschwimmen. Aber ich sank nur noch tiefer, das Licht wurde  kleiner, bis es schließlich ganz erlosch. Dann spürte ich den Druck auf meiner Brust. Meine Lunge drohte zu platzen, ich schnappte nach Luft. Ich konnte meine Arme nicht mehr bewegen. Etwas griff nach mir. Ich musste versuchen, mich zu befreien …

Ich erinnerte mich nicht, wann ich das letzte Mal mitten in der Nacht aufgewacht war. Normalerweise wurde ich nachts nie wach, nicht mehr, seit ich fünf oder sechs gewesen war. Verschlafen blinzelte ich in das Halbdunkel und wartete darauf, dass die vertrauten Gegenstände in meinem Zimmer Konturen annahmen. Silbrig schimmerte das Wasserglas auf meinem Nachttisch. Ich griff danach. Das Wasser schmeckte abgestanden und war eiskalt. Trotzdem trank ich einige Schlucke. Der Wind bewegte raschelnd die weißen Vorhänge an dem offenen Fenster. Wenn er sie für einen kurzen Augenblick auseinanderwehte, konnte ich durch einen schmalen Spalt den riesigen gelben Mond erkennen, der wie angepinnt am Himmel hing. Ich liebte diese Vollmondnächte, den kalten Geruch der Nacht. Fest kuschelte ich mich unter meine dicke Decke und lauschte den gewohnten Geräuschen aus dem Wohnzimmer. Erst als ich fast wieder eingeschlafen war, bemerkte ich sie.
Die Stille.
Augenblicklich war ich hellwach. Doch so sehr ich mich bemühte, es war nichts zu hören, kein Rascheln, wenn meine Mutter Brenda sich auf dem Sofa bewegte, kein Klirren, wenn sie ihr Weinglas auf den Tisch zurückstellte. Und schon gar nicht das vertraute Gemurmel des Fernsehers. Nichts. Es war still, zu still, totenstill.
Ich angelte nach meinem Bademantel und zog ihn an. Auf Zehenspitzen trippelte ich über den kalten Boden durch unsere Wohnung und schaltete die Lampen an.
„Mom?“, rief ich, dunkel ahnend, dass ich keine Antwort bekommen würde. Ich griff nach meinem Handy. Keine Nachricht. Ich wählte ihre Nummer und ließ es eine Ewigkeit klingeln. Am anderen Ende blieb es still. Langsam ging ich zurück in mein Zimmer, zog den Bademantel aus und legte mich in mein noch warmes Bett. Ich griff nach dem Buch auf meinem Nachttisch und versuchte vergeblich, mich auf die Zeilen zu konzentrieren. Das unruhige Gefühl, das sich meiner bemächtigte, konnte ich nicht abschütteln.
 
 
1. Kapitel

Ich wusste nicht, was mich geweckt hatte. Da hörte ich das nervende Gebimmel der Türklingel. Mein Buch polterte zu Boden, als ich mir verärgert die Bettdecke über den Kopf zog. Mom würde aufmachen. Es klingelte wieder, drängender, anhaltend. Ich wartete. Die Lampe neben meinem Bett brannte noch. Dann erinnerte ich mich. Böse Vorahnungen schwirrten durch meinen Kopf, während ich zur Tür lief.
Als ich öffnete, standen zwei Polizistinnen vor mir. „Emma Tate?“
Ich nickte. „Können wir vielleicht hereinkommen?“, fragte  die eine mit freundlichem Lächeln. Stumm führte ich sie ins Wohnzimmer.
„Ist deine Mutter Brenda Tate?“, fragte die Blonde zögernd. Ich brachte wieder nur ein Nicken zustande.
„Bist du allein hier?“
„Ja“, antwortete ich viel zu leise.
„Wir haben leider eine sehr traurige Mitteilung für dich.“ Ihre Stimme zitterte ein wenig und ich fragte mich weshalb. Sie sprach nicht weiter. Nach einem kurzen Augenblick sprang ihre Kollegin für sie ein. 
„Emma, also … wir haben deine Mutter gefunden. Sie hatte einen Unfall. Sie ist offenbar zu schnell gefahren und ins Schleudern gekommen.“
Ein Unfall? Das konnte nicht meiner Mutter passiert sein. Ich schüttelte den Kopf. Sie fuhr wie eine Schnecke. Es war jedes Mal peinlich.
„Ihr Auto hat
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