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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer
Autoren: Ann Benson
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ein schöner Tag, und es wird mir gut ergehen, da bin ich mir sicher. Und ich möchte gern die Dinge, die ich brauche, selbst auswählen, anstatt mich auf die Augen einer anderen zu verlassen.«
    » Frère Demien kann für heute von seinen gewohnten Pflichten entbunden werden … Er könnte Euch beim Tragen Eurer Einkäufe helfen.«
    Ich hatte genug Ärmeltaschen für alles, was ich kaufen mochte.
    »Er lässt sich nicht gerne von seinen Bäumen wegholen. Und nichts wird schwer sein – ich brauche Nadeln und ein paar Garne. Einige Eurer Chorröcke erfordern Ausbesserungen in gewissen Farben, und zwar in solchen, die wir anscheinend selbst nicht anständig herstellen können.«
    »Ach ja, das sind Dinge, von denen ich nur sehr wenig verstehe, Gott sei’s gedankt. Die überlasse ich gerne Euch.« Er hob eine Seite seiner durchgehenden Augenbraue. »Und was immer Ihr neben Euren Einkäufen sonst noch zu erledigen habt.«
    Er wartete auf meine Reaktion. Ich konnte sein Verlangen, in dieser Hinsicht weiter in mich zu dringen, beinahe mit Händen greifen, aber ich reagierte nur mit einem knappen Nicken.
    »Nun, dann macht Euch auf den Weg, aber achtet darauf, Euch nicht zu überanstrengen.«
    »Selbstverständlich, Euer Eminenz. Ich werde mich nicht für meine Pflichten hier unbrauchbar machen.«
    »Allerdings«, grummelte er. Er entließ mich, indem er sich wieder dem Text vor ihm zuwandte, doch als ich schon halb bei der Tür draußen war, hörte ich: »Möge Gott mit Euch sein.« Das brachte ein Lächeln auf mein Gesicht.
     
    Unsere Abtei ist ein uraltes Gebäude, und als es errichtet wurde, waren die Menschen noch etwas kleiner, als wir es jetzt sind, das schließen wir zumindest aus den Knochen, die in unseren Krypten modern. Von Knochen kann man viel erfahren, und auch von Zähnen – einer meiner Söhne hatte einen angeschlagenen Zahn, den ich überall wieder erkennen würde. Auf jeden Fall sind mein Zimmer und das Bett darin ziemlich beengt. Ich wählte es wegen seiner Lage an der Innenseite des Hofes, da das Tageslicht dort immer stark ist. Im Winter spannt einer der Brüder gegen die Zugluft ein geöltes Pergament vor die Öffnung, denn ich könnte es nicht ertragen, mein Zimmer so viele Monate lang von einem Wandbehang verdunkelt zu haben. Um ehrlich zu sein: Es gibt zwar nicht viel zu sehen, aber ich habe Licht und muss den Lärm der Karrenräder nicht ertragen, die schon vor Anbruch des Morgens an der Außenmauer vorbeirattern, wenn die Bauern zum Markt fahren.
    Aber es sind nicht immer Störungen von außen, die den Schlaf beeinträchtigen. Dinge, über die ich nicht nachdenken wollte, hatten meine Ruhe in einer langen und wirren Nacht gestört – Geister, Dämonen, Ungeheuer im dunklen Wald –, die Albträume eines Kindes in den Fängen einer vermeintlich anwesenden Hexe. Ich bin längst über die Zeit hinaus, da verzehrende Monatsblutungen eine Frau zwingen, in tiefster Nacht aufzustehen und mit weit aufgerissenen Augen in heftiger Erregung auf und ab zu gehen, bis der Hahn kräht; diese Demütigungen kamen und gingen, und inzwischen wird mein Schlaf nur selten gestört, weder von Schlaflosigkeit noch von Träumen. Doch als ich heute Morgen aufwachte, waren meine Augen verklebt. Anscheinend hatte ich in dem Wenigen an Schlaf, das mir gewährt war, geweint, konnte mich aber mitnichten daran erinnern.
    Oft knie ich mich zur Schlafenszeit vor meine Pritsche, kneife die Augen fest zusammen und falte die Hände, wie ein Kind es tun würde. Ich lasse die Tür zu meiner Kammer offen, so dass ein zufällig Vorbeikommender mich im Zustand scheinbar inbrünstigster Versenkung sieht. Oft tue ich das nur um des äußeren Scheins willen, doch gestern grenzte meine Andacht wirklich an Versenkung, denn ich flehte Gott an, er möge Madame le Barbier ihren Sohn finden lassen, wenn Gott nicht der grausame Witz ist, für den ich ihn in letzter Zeit halte.
    Als ich eine Kolonne meiner Schwestern zurück zum Kloster führte, um das Fasten zu brechen, holte Frère Demien mich ein.
    »Gott segne Euch, Mutter.«
    Mutter sagte er immer so, als würde er es wirklich meinen. Ich war unendlich dankbar dafür. »Und Euch, Bruder.«
    »Es ist ein schöner Tag, nicht? Auch wenn es kühl ist. So wie gestern Abend.«
    Er hatte eine ärgerliche Ausgelassenheit an sich, doch das war nur der Ausdruck seiner jugendlichen Lebensfreude und deshalb völlig verzeihlich. Ich vergaß oft, dass er Priester ist; ohne seine Kutte wäre er ein
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