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Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Titel: Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen
Autoren: Adam Soboczynski
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einschaltete, war die Anzeige grobkörnig und grünlich, die Tasten
     ragten ungelenk aus dem Gehäuse, die mein neues Gerät gar nicht mehr hat. Es gleiten heute die Finger sanft über den bunten
     Tastschirm. Je älter ich werde, desto glatter werden die Geräte, schöner, klassischer, wohlgeformter. Wie rasch sie auch wieder
     ausgetauscht werden, es haftet ihnen neuerdings unsterbliche Vollkommenheit an wie der Nike von Samothrake.
    Dass man auf Anhieb nicht mehr sagen kann, welcher Marke ein Wagen ist, der an einem vorbeigleitet, wo man früher als nahezu
     Blinder den Opel vom Audi unterscheiden konnte, da die ungleichen Kanten und Wölbungen sie unverwechselbar machten, ist der
     Stromlinienförmigkeit geschuldet, die man zur Richtschnur für alles Gegenständliche erhob. Mit ihr ist alle Mechanik verstummt.
     Dass ich das Fenster während einer ratternden Zugfahrt noch öffnen konnte, dass |227| ich die ungeheure Gewalt der Waggons hörte, die harte Reibung der Räder, den fliegenden Sommer roch – all das scheint mir
     einem längst vergangenen Zeitalter anzugehören.
    Es rumpelten und ächzten ja überhaupt alle Geräte und Gegenstände, die man so im Dämmerlicht bediente. Die Plattenspieler
     knisterten, die Türen quietschten, man hörte die Klospülung des Nachbarn. Heute surrt ganz leise die Klimaanlage im Zug, die
     Fenster in den Großraumwagen lassen sich nicht öffnen, kein Kopf, der im Fahrtwind mehr hinausragt in die Landschaft aus einem
     dunklen Abteil.
    In alten Science-Fiction-Filmen erblickte man einst die grobe Richtung zur Generalsanierung der Welt, die man Jahrzehnte später
     verwirklichen sollte: Die Monitore im Raumschiff waren zwar noch gewölbt, schwarz-weiß flackerten die Bildschirme, aber die
     Geräte surrten bereits, auf den metallisch glänzenden, den kurbel- und wählscheibenfreien Armaturenbrettern der erleuchteten
     Schaltzentrale blinkten schon die Knöpfe digitaler Eleganz.
    Schrecken und Faszination zugleich erzeugte einst die Technik. Aus den ersten Zügen, die mit lächerlicher Geschwindigkeit
     die Landschaft streiften, sprang manch Verwirrter, völlig überwältigt von der Fahrt, benebelt hinaus und brach sich zumindest
     das Schlüsselbein. Mit Technik verband man das berstende Geräusch der aufschlagenden Bombe, den Materialkrieg, den laut aufheulenden
     Motor, die dampfende Lok.
    Mehr noch aber als von der Monstrosität der alten Maschinen, die ganz offenkundig als das Andere, das dem Menschen |228| Entfremdete in Erscheinung traten und ihn fürchten ließen, werden wir heute von ihrer Eleganz überwältigt. Uns strahlt ein
     Ebenmaß an, dem das niemals erreichbare Ideal des Körpers entspricht.
    Kürzlich erst, auf einer folgenreichen Party, traf ich den Freund, der erfolgreich etwas mit Kultur macht. Der Freund hat
     sehr viele, sehr dunkle Brusthaare. Kein Hemd vermag sie zu verbergen. Sie beulen es aus und sprießen aus dem Hemdkragen.
     Auch seine Hände sind behaart, er hat sehr dunkle Locken und passenderweise einen Bart. Auch aus den Ohren wachsen ihm kleine,
     lustig anzuschauende Löckchen. Ein sehr haariger, sehr bärtiger Mann also, nach dem die Frauen sich früher immer so gesehnt
     haben. Der schöne Mann war ja immer der behaarte Mann, wovon noch die frühen James-Bond-Filme mit Sean Connery zeugen. Auf
     den behaarten Mann legte sich die Frau, zu ihrer großen Freude, immer wie auf eine weiche Wiese.
    Schwer zu sagen, weshalb wir auf sein Haarproblem zu sprechen kamen. Es war spät, wir hatten ein paar Gläser Rotwein getrunken,
     hatten vergeblich nach Gabeln gesucht, um die Polenta, die in großen Schüsseln herumstand, zu essen, keine gefunden, und kamen
     dann auf sein Haarproblem zu sprechen. Vielmehr, er selbst ist, glaube ich, auf sein Haarproblem zu sprechen gekommen. Ganz
     unvermittelt sagte der Freund nämlich, dabei blickte er kurz, aus Sorge vor Mithörern, um sich, er habe zu viele Haare. Ich
     wisse ja bestimmt, sagte er, alle Männer rasierten sich neuerdings die Haare vom Kinn an abwärts oder ließen sie weglasern.
     Sabine, seine |229| Freundin, sagte der Freund, der wenige Tage zuvor seinen 38. Geburtstag gefeiert hatte, sei es ganz egal, dass er so viele
     Haare habe. Sie möge ihn, habe sie ihm kürzlich gesagt, so, wie er eben sei. Dieses »wie-er-eben-sei« habe ihn aber doch gleich
     misstrauisch gemacht. Er vermute eine still anwachsende Unzufriedenheit. Sie habe zudem halb im Scherz und wie geistesabwesend,
     als sie
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