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Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Titel: Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen
Autoren: Adam Soboczynski
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schnittigen Bauart wie zu Hause,
     in den Cafés saßen Freelancer mit ihren dickrandigen Brillen an Notebooks und Lesegeräten, die sich so geheimnisvoll und so
     magisch mit dem Zeigefinger auf dem Display bedienen lassen. Im Taxi vom Flughafen erspähten wir auf der Autobahn ein Schild
     eines Möbelgeschäfts, das uns sehr vertraut war. Die kleinen weißen Plastikkarten, die die Schlüssel in Hotels abgelöst haben,
     glichen vollkommen denjenigen in Wuppertal oder Frankfurt, selbst die Toilettenschüssel und Armaturenbretter im Badezimmer
     waren vom selben Fabrikat wie in meiner Wohnung. Das womöglich allerletzte Distinktionsmerkmal des Südens gegenüber dem Norden,
     so schien es mir, war die deutlich höhere Verbreitung des Bidets.
    Alles Halbseidene der Stadt, das ich meinte vor zehn Jahren, während meines letzten Besuches, noch erblickt zu haben, |215| war vertrieben worden: die kleinen Ganoven in den Seitenstraßen, die sich dem Glücksspiel hingebenden Rentner in Tabakläden,
     die Hausfrauenprostitution in den Gassen, die man der sittlich empfindsamen Besucher wegen unterdrückt hat. Die Sprache war
     jene abgezweckte, die man aus jeder dem Tourismus verpflichteten Großstadt kennt: allerorts jenes beharrliche »You are welcome!«
     und »Have a nice day!«. Eine Freundlichkeit, die keine mehr war. Keine jedenfalls mehr des Überflusses, des Spiels, der Unbeschwertheit.
     Sie entsprang nicht neugieriger, unbedarfter, bisweilen fremdsprachenunkundiger Gastfreundschaft, sondern dem Tauschgeschäft.
    Noch vor zehn Jahren, sagte ich zu der Frau, die mich gut kennt, während wir auf der Rambla dels Caputxins herumspazierten,
     war das anders. Vor zehn Jahren hatte ich mich eines späten Nachmittags in Barcelona verirrt. War ich auf der Suche nach diesem
     Kloster mit den etwas schlichten Skulpturen, die Fische und Vögel darstellten am Hauptportal, das wir gestern besichtigt haben?
     Egal. Eigentlich weiß ich auch gar nicht mehr, ob es in Eixample oder Gràcia oder El Raval gewesen war, dass ich mich – mit
     meinem Stadtplan eindeutig als Tourist erkennbar – erschöpft und verschwitzt mit, wie ich mir heute denke, verwirrtem Gesichtsausdruck
     an eine Hauswand lehnte, als sogleich ein älterer Herr mir nicht nur den Weg wies, den ich vergeblich gesucht hatte, sondern
     mit einer Geste, die keinen Widerspruch duldete, nachdem wir etwas ins Gespräch gekommen waren, mich in sein Haus einlud,
     das ich als das prächtigste in Erinnerung behalten habe und in dem mir nicht nur, sagte ich, die allerköstlichsten Speisen
     in fünf |216| Gängen vorgesetzt wurden und der kostbarste Wein, sondern zur vollständigen Abrundung des Abends sogar, wenn mich nicht alles
     täuscht, die ungeheuer hübsche 25-jährige Tochter, die aufreizend am Türrahmen lehnte und mich neugierig anblickte, auf verbindliche
     Weise zur Gesellschafterin des Nachtlebens ans Herz gelegt wurde.
    Das ist heute undenkbar, sagte ich. Heute sind alle auf ganz gleichförmige, ganz erwartbare Weise freundlich, aber die 25jährige
     Tochter wird einem nicht mehr ans Herz gelegt! Heute wird die alle Beziehungen durchwebende Eigenliebe nicht mehr galant verborgen,
     sondern offen zur Schau gestellt. Das ist das Gegenteil von Schönheit. Das Schöne, sagte ich, ist immer das Überflüssige.
     Die Gastfreundschaft, die ich vor zehn Jahren erfuhr, war ja im Grunde auch ganz und gar überflüssig.
    Überfluss ist Luxus, sagte ich zu der Frau, die mich gut kennt, während wir die Rambla dels Caputxins auf und ab gingen. Überflüssig
     waren die vergoldeten Säle der Hotels einst, die Teeräume, in denen man die Zeit verplemperte, das Geld verjubelte, mit Garderobe
     protzte. Jeder Luxus, sagte ich, ist nach Maßgabe der Rechenschieber unvernünftig und dumm. Luxus ist eine Geste, die uns
     die Illusion abringt, dass sie keine Gegenleistung verlangt. Luxus ist eine sozusagen unerwartete Geste, zu der jene Schmeichler
     unfähig sind, die immerzu »Aber gerne!« sagen.
    Immer wurde einem stets geraten, in allen Benimmbüchern vergangener Jahrhunderte, sich vor dem leicht zu durchschauenden Schmeichler
     fernzuhalten, hinter dessen Worten und |217| Handlungen die Absicht steht, zu gefallen und einen dergestalt zu überlisten. Wir alle sind vielleicht im Abgrunde unseres
     Herzens Schmeichler, sagte ich, während wir die Rambla dels Caputxins auf und ab gingen. Mag sein, dass sich noch in die großherzigste
     Offerte, in den Blick jedes Verliebten eine
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